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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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ursprüngliches Verlangen nach Litteratur fühle. Ebenso hielt ich Löwy vorige Woche für meinen unentbehrlichen Freund und entbehrte ihn jetzt drei Tage leicht.

    Ich ziehe, wenn ich nach längerer Zeit zu schreiben anfange, die Worte wie aus der leeren Luft. Ist eines gewonnen, dann ist eben nur dieses eine da und alle Arbeit fängt von vorne an 14. XII (1911) Mein Vater machte mir Mittag Vorwürfe, weil ich mich nicht um die Fabrik kümmere. Ich erklärte, ich hätte mich beteiligt, weil ich Gewinn erwartete, mitarbeiten könne ich aber nicht, solange ich im Bureau sei. Der Vater zankte weiter, ich stand beim Fenster und schwieg.
    Abend aber ertappte ich mich bei dem von jenem Mittagsgespräch ausgehenden Gedanken, daß ich mich mit meiner gegenwärtigen Stellung sehr zufrieden geben könne und mich nur hüten müsse, die ganze Zeit für die Litteratur freizubekommen. Kaum hatte ich diesen Gedanken näherer Beobachtung ausgesetzt, war er auch nicht mehr erstaunlich und kam mir schon gewohnt vor. Ich sprach mir die Fähigkeit ab, die ganze Zeit für die Litteratur ausnützen zu können. Diese Überzeugung kam allerdings nur aus einem Augenblickszustand, aber sie war stärker als dieser.
    Auch an Max dachte ich wie an einen Fremden, trotzdem er heute in Berlin einen aufregenden Vorlese-und Vorspielabend hat; jetzt fällt mir ein, daß ich an ihn nur dachte, als ich der Wohnung des Frl. Taussig mich beim Abendspaziergang näherte

    Spaziergang mit Löwy unten am Fluß. Der eine Pfeiler des auf der Elisabethbrücke sich erhebenden innen von einer elektr. Lampe beleuchteten Bogens sah als dunkle Masse zwischen seitlich hervorströmendem Licht wie ein Fabrikskamin aus und der über ihm zum Himmel sich ausspannende dunkle Schattenkeil war wie steigender Rauch. Die scharf begrenzten grünen Lichtflächen zur Seite der Brücke.

    Wie mir während des Vorlesens von Beethoven und das Liebespaar von W. Schäfer verschiedene mit der vorgelesenen Geschichte gar nicht zusammenhängende Gedanken (ans Nachtmahl, an den wartenden Löwy) mit großer Deutlichkeit durch den Kopf giengen, ohne mich in dem gerade heute sehr reinen Vorlesen zu stören.

    16. (17.) XII (1911) So. 12 Uhr mittag. Den Vormittag vertrödelt mit Schlafen und Zeitunglesen.
    Angst eine Kritik für das Prager Tagblatt fertigzustellen. Solche Angst vor dem Schreiben äußert sich immer darin, daß ich gelegentlich ohne beim Schreibtisch zu sein, Eingangssätze des zu Schreibenden erfinde, die sich gleich als unbrauchbar, trocken, weit vor dem Ende abgebrochen herausstellen und mit ihren vorragenden Bruchstellen in eine traurige Zukunft zeigen.

    Die alten Künste auf dem Christmarkt. Zwei Kakadus auf einer Querstange ziehn Planeten.

Irrtümer. Ein Mädchen bekommt eine Geliebte prophezeit. - Ein Mann bietet künstliche Blumen mit Versen zum Verkaufe an: To jest ruze udelana z kuze.

    Der junge Pipes beim Gesang. Als einziges Geberdenspiel wird der r. Unterarm im Gelenk hin und her gekegelt, die halbgeöffnete Hand öffnet sich noch etwas weiter und zieht sich dann wieder zusammen. Der Schweiß bedeckt ihm das Gesicht, besonders die Oberlippe wie mit Glassplittern.
    Flüchtig ist ein knopfloses Plastron hinter die Weste des Schlußrockes gesteckt. - Der warme Schatten im weichen Rot der Mundhöhle der singenden Frau Klug.

    Judengassen in Paris rue Rosier Abzweigung der rue de Rivoli

    Wird eine ungeordnete Bildung, die in sich nur den notdürftigsten zum bloßen, unsichern Dasein unentbehrlichen Zusammenhang hat, plötzlich zu einem zeitlich eingeschränkten, daher notwendig 92
    energischem Arbeiten, zum Sichentwickeln, zum Reden aufgefordert, so erfolgt nur eine bittere Antwort, in der sich Hochmut wegen des Erreichten, das nur mit allen ungeübten Kräften ertragen werden kann, ein kleiner Rückblick auf das überrascht entfliehende Wissen, das deshalb besonders leicht beweglich ist, weil es mehr geahnt, als seßhaft war und endlich Haß und Bewunderung der Umgebung mischen.

    Vor dem Einschlafen hatte ich gestern die zeichnerische Vorstellung einer für sich bergähnlich in der Luft abgesonderten Menschengruppe, die mir in ihrer zeichnerischen Technik vollständig neu und einmal erfunden leicht ausführbar schien. Um einen Tisch war eine Gesellschaft versammelt, der Erdboden verlief etwas weiter als der Menschenkreis, von allen Leuten aber sah ich vorläufig mit einer großen Gewalt des Blickes nur einen jungen Mann in altertümlichem Kleid. Den linken Arm

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