Tal der Traeume
diese schändliche Affäre fortsetzen können?« »Nein! Nein!«, weinte sie und hielt sich die Ohren zu. »Natürlich nicht, bei Gott, nein!« »Wirklich nicht? Denn wenn das Ihre eigentliche Absicht ist, verlasse ich dieses Haus auf der Stelle. Soll ich mit dem Wissen gehen, dass Sie Ihrem Mann im tiefsten Herzen den Tod wünschen?« »Nein, denken Sie das bitte nicht, Mr. Walters. Ich liebe William. Er bedeutet mir sehr viel.« Er ließ sich wieder in den Sessel sinken, als sei er erschöpft. »Ich kann das kaum glauben, da es aus dem Mund der Frau kommt, die ihn betrogen hat.« War das aufregend! Mit keinem Wort hatte sie seine Anschuldigungen abgestritten, bald hätte er die ganze Wahrheit aus ihr herausgeholt. »Ich weiß«, murmelte sie und zerrte mit zitternden Händen an einem Taschentuch. Sie war nicht länger die elegante Dame, sondern nur ein unglückliches Weib, das seiner Lust gehorcht hatte, nicht besser als eine Hure. »Sie scheinen verwirrt«, sagte er sanft. »Und ich muss gestehen, dass Sie auch mich verwirren. Hat Mr. Oatley Sie vielleicht schlecht behandelt?« »Nein, niemals.« »Dann vielleicht sein Sohn… O ja, der Herr sieht alles. Vielleicht hat der Sohn Sie ausgenutzt, gegen Ihren Willen? In Abwesenheit seines Vaters. Das, Schwester, wäre ein Verbrechen gegen Natur und Gesetz, wir könnten ihn anklagen. Das Verbrechen der Vergewaltigung ist in dieser Stadt nicht unbekannt.« Sie starrte ihn an. »Was reden Sie da? Ich soll Myles der Vergewaltigung bezichtigen?« »Wenn ein Mann intime Beziehungen zur Frau seines Vaters unterhält… Eine üblere Sünde kann ich mir kaum vorstellen, aber Sie könnten aussagen, dass er Sie gezwungen hat…« »Hören Sie bitte auf! Ich verstehe das nicht. So war es nicht… Gott, nein!« »Dann können Sie mir vielleicht erzählen, wie es war, wie Sie in diesen traurigen Zustand gelangt sind, Mrs. Oatley. Wir werden gemeinsam versuchen, Sie aus diesem Unglück herauszuführen. Sie sind verzweifelt, das sehe ich, brauchen jemanden, mit dem Sie reden können…« »Ja«, murmelte sie, »ich kann das alles nicht mehr ertragen.« Er lauschte angewidert, unterbrach aber nicht ein einziges Mal die in seinen Augen ekelhafte, von Selbstmitleid triefende Litanei von Lust und Betrug. Mit ihrem Stiefsohn – einfach entsetzlich! Welch lasterhafte Menschen unter dem Deckmantel des respektablen Bürgertums lebten. »Und ihr Ehemann weiß von der Affäre?«, fragte Walter schließlich. »Ich glaube schon.« »Was hat er getan?« »Nicht viel. Er ging in den Busch.« »Er hat nichts unternommen?« War dieses Haus derart von Laster durchdrungen? Es war an der Zeit, den Zorn Gottes auf diese Sünderin herabzurufen. Er schalt sie, brüllte sie an, wie der Herr es getan hätte. Die Polizeiwache hatte mittlerweile geschlossen, doch das hier war wichtiger. Der Polizeipräsident konnte bis zum nächsten Morgen warten. Er nannte sie eine Hure. Schlimmer als eine Hure. Wie viele Huren gingen schon mit Vater und Sohn ins Bett? Vielleicht hatte sie sich beiden Männern zur selben Zeit hingegeben? Gräuel dieser Art waren nicht unbekannt. Hatte sie sich ihnen in schamverletzender Weise gezeigt, bis keiner mehr widerstehen konnte? War sie nackt durchs Haus gelaufen, um ihre Lust zu allen Tages- und Nachtzeiten zu befriedigen? Seine Fantasie ging mit ihm durch, als er an die Ausschweifungen dachte, die sich wahrscheinlich in diesen vier Wänden abgespielt hatten. Ihre heidnischen Diener unterstützten sie vermutlich noch darin. Warum sonst hatte sie keine weißen Hausangestellten? Harriet war am Boden zerstört. Sie umschlang die Knie, ihre vollen Brüste quollen aus dem Ausschnitt, sie war bar jeder Würde. Nun konnte Walters verstehen, was diese Männer zur Sünde verleitet hatte. Die cremigen runden Brüste, der tiefe Spalt dazwischen genügten, um… egal, diese Lasterhöhle musste gereinigt werden. Er setzte sich neben Harriet und legte den Arm um sie. Sie zitterte am ganzen Leib. »Loben Sie den Herrn, Schwester Oatley, es ist vollbracht. Sie sind auf den rechten Weg zurückgekehrt. Amen, sagen Sie Amen.« »Amen«, murmelte sie. »Was können wir tun, um Sie wieder in den Stand der Gnade zu versetzen? Ich frage Jesus. Was können wir tun? Lassen Sie mich nachdenken. Hier bleiben können Sie nicht. Es darf nicht sein. Ich habe dies schon erlebt, habe Huren davon überzeugt, die Hurenhäuser zu verlassen. Aus freiem Willen. Manche besaßen leider nicht genügend Gottvertrauen, um
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