Tal der Traeume
Verbleib Ihres Ehemannes geht… darüber weiß ich Bescheid und möchte mein Mitgefühl bekunden. Obgleich er kein frommer Mensch ist, werde ich für ihn beten, auf dass Gott ihn diese schwere Prüfung überstehen lässt.« Sie starrte ihn an. »Oh, vielen Dank. Möchten Sie Tee oder eine Erfrischung? Vielleicht Limonade?« »Danke, nein.« Er zog seine Taschenuhr hervor. Ihm blieb noch genügend Zeit, um Cavendish aufzusuchen und von den Gesetzesverstößen der Hamiltons zu berichten. Der Polizeipräsident würde ebenso empört sein wie er. »Schwester Oatley, ich möchte, dass Sie gemeinsam mit mir niederknien und beten. Haben Sie Ihre Bibel zur Hand?« »Jetzt?« »Ja, meine Liebe, jetzt.« »Gut, es ist freundlich von Ihnen, herzukommen. Ich mache mir solche Sorgen um William, dass ich kaum noch klar denken kann.« Hatte sie nicht zugehört? Es ging doch gar nicht um die Entführung ihres Mannes. Der Reverend empfand ein wenig Mitleid mit William Oatley, das jedoch schnell verflog. Der Mann hatte schließlich dem Herrn den Rücken gewandt. Sie kam mit der Bibel zurück, und er hieß sie neben sich an einem langen, niedrigen Tisch niederknien. »Wir beten für die Seele von William Oatley«, hob er an. »Mögen diese Sorgen von ihm genommen werden.« »Amen«, murmelte sie mit gesenktem Kopf. »Möge er den feurigen Weg in die Arme Jesu einschlagen. Vater unser im Himmel…« Er dehnte das Gebet auf volle fünfzehn Minuten aus, um sie angemessen zu bestrafen. Gleichzeitig schaute er sich im Zimmer um. Er war noch nie hier gewesen, weiter als bis zur Veranda hatte man ihn nie vorgelassen. Kein Wunder, das Haus erinnerte mit seinen orientalischen Vasen und dem ganzen Nippes an einen chinesischen Schrein. Sogar der Tisch vor ihnen trug heidnische Schnitzereien, und die große Matte darunter war zwar weich unter den Knien, wies aber eindeutig asiatische Muster auf. Schließlich sank der Reverend in einen Sessel. »Amen, Schwester.« Sie schaute erleichtert hoch, doch er bat sie, auf den Knien zu bleiben, damit sie in ihren eigenen Worten mit Jesus sprechen könne. »Keine Sorge«, sagte sie und setzte sich ihm gegenüber auf ein Korbsofa, »ich habe seit Tagen pausenlos mit Gott gesprochen.« »Worüber?« »Meine Güte, natürlich über die Sicherheit meines Mannes.« »Meinen Sie, Gott erhört Sie?« »Das will ich hoffen«, sagte sie müde. »Vielleicht tut er das, wenn Sie zuerst um Gnade für sich selbst bitten.« »Ja, das mag sein.« »Und haben Sie das getan?« »Was getan?« »Mit ihm über Ihre eigene Seele gesprochen. Bei einer Frau ist die Reinheit von größter Bedeutung. Wenn Ihre Seele nicht rein ist, wird sich der Herr von Ihnen abwenden. Man könnte sagen, es sei dreist, wenn eine unreine Seele die Hilfe Gottes sucht. Ein Akt der Blasphemie.« Sie führte die Hand zum Gesicht, als wolle sie etwas wegwischen. »Nun?« »Man tut sein Bestes«, meinte sie gleichgültig. »Schwester, könnten Sie mir die Sünde des Ehebruchs definieren?« Bei dieser Frage richtete sie sich kerzengerade auf. »Wirklich, Mr. Walters, ich halte diese Unterhaltung für unangemessen.« »Bedauere, Ehebruch ist niemals angemessen, wenn wir bei diesem Begriff bleiben wollen. Aber Sie als Ehebrecherin halten es für angemessen, den Herrn mit Ihren jammernden Bitten zu belästigen!« Seine Stimme wurde zu einem Zischen. »Sagen Sie, dass Sie keine Ehebrecherin sind. Sagen Sie es jetzt, sagen Sie es dem Herrn, mit einem Mann Gottes als Zeugen.« Sie sah ihn entsetzt an. Ihr Gesicht wurde bleich, und sie brach in Tränen aus. »Bitte, Mr. Walters, ich fühle mich nicht wohl. Wenn Sie mich entschuldigen wollen.« »Nein, das will ich nicht!«, donnerte er. »Nein! Gott kennt Ihre Sünde, und schlimmer noch, als Mitglied meiner Herde besudeln Sie die ganze Gemeinde, die Sie in ihren Kreis aufgenommen hat. Wollen Sie es etwa abstreiten? Sind Sie so vermessen, dass Sie Gott schamlos belügen können und alle Ihre Gebete wertlos machen?« »Nein! Nein!«, schluchzte sie. Er sprang auf, schloss die Tür, um ihr den Fluchtweg zu versperren, und stellte sich unmittelbar vor sie. Ein weiterer Schlag würde die wankende Mauer zum Einsturz bringen. »Schwester, ich will Ihnen helfen. Mit Ihnen beten und Sie auf den rechten Weg führen. Ich darf Sie aber nicht in Ihrer Schande bestärken, Sie müssen mir die Wahrheit sagen. Wenn Sie beten, wünschen Sie sich dann, Ihr Mann möge in der Gefahr umkommen und nie mehr zurückkehren, damit Sie
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