Tal der Träume
Mädchen, das es mit einer Schwiegermutter wie Maudie aufnehmen musste.
Sie ging über die Veranda zum Schlafzimmer ihrer Eltern, als ihre Mutter rief.
»Ist Zack schon zu Hause?«
Lucy trat durch die schlaff herabhängenden Spitzenvorhänge. »Noch nicht.«
Sie starrte ins Zimmer. Überall standen offene Kisten und Schrankkoffer.
»Was tust du da?«
»Ich packe.«
»Aber du hast doch schon gepackt. Dieses Zeug brauchst du in Darwin gar nicht. Und die Schrankkoffer passen ohnehin nicht in den Wagen!«
»Ich weiß. Ich lasse sie nachschicken.«
»Nachschicken? Das alles?« Sie spähte in einen weiteren Schrankkoffer. »Der hier ist voll. Wir bleiben nur ein paar Monate, keine zehn Jahre.«
Sibell kippte eine Schublade mit Unterwäsche aufs Bett und setzte sich daneben. Sie schaute zu ihrer Tochter hoch. »Ich habe versucht, genügend Mut zu fassen, um es dir zu sagen, Lucy. Ich gehe fort.«
»Fort? Wohin?«
»Ich werde nach Perth ziehen.«
»Wann?«
»Nach Weihnachten.«
Lucy ging durchs Zimmer und öffnete den großen Kleiderschrank. Zu ihrem Erstaunen war er leer.
»Das verstehe ich nicht. Was hast du vor? Urlaub machen?«
»Nein, ich gehe für immer«, erwiderte ihre Mutter ruhig.
»Unsinn. Daddy würde Black Wattle nie verlassen. Was geht hier wirklich vor?«
»Dein Vater geht nicht fort, sondern ich. Ich kann nicht mehr hier leben. Ich habe beschlossen, in Perth zu wohnen.«
»Wieso? Hattest du Streit mit Daddy? Mir ist aufgefallen, dass ihr beide in letzter Zeit ziemlich gereizt wart. Aber wegen eines Streits wirst du doch nicht aufgeben und weggehen. So schlimm kann es doch wohl nicht sein?«
»Wir hatten keinen Streit, nicht wirklich. Er weiß, dass ich gehe, und regt sich schrecklich auf.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Lucy schnippisch. »Was ist los mit dir? Bist du verrückt geworden?«
»Nein«, antwortete Sibell geduldig. »Mir ist diese Entscheidung sehr schwer gefallen, aber ich kann das Leben hier draußen nicht mehr ertragen. Ich bin es leid.«
»Was denn? Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst.«
Ihre Mutter seufzte. »Ach, Lucy, ich habe einfach alles satt … die Einsamkeit, den Staub, die Gewalt, die endlosen Schwierigkeiten …«
»Es war die Mäuseplage, nicht wahr? Stimmt, seitdem warst du irgendwie nervös. Aber das ist vorbei, es kommt so bald nicht wieder vor …«
Sibell schauderte. »Erinnere mich bitte nicht daran. Diese verdammten Biester, mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke. Im Haus, im Bett, überall. Aber sie waren nicht der wahre Grund, sie haben nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich möchte normal leben, in einem normalen Klima, die Straße entlanggehen, Geschäfte besuchen, wenn mir danach ist, all das. Ich bin fast fünfzig. Wenn ich diesen Schritt jetzt nicht wage, tue ich es nie.«
»Und was wird aus uns? Aus Daddy und mir? Willst du uns einfach so verlassen?«
»Ich werde in Perth sein. Du kannst mich besuchen.«
»Aber das hier ist dein Zuhause. Das kannst du nicht machen. Und Daddy sieht einfach zu?«
»Nicht direkt, das muss ich zugeben. Er nimmt es sehr schwer. Ich hatte gehofft, du könntest mit ihm reden. Ihm erklären, wie ich mich fühle.«
»Es ihm erklären? Dass ihn seine Frau verlässt? Das werde ich nicht tun! Ich kann einfach nicht glauben, dass du so selbstsüchtig bist. Räum die Sachen wieder ein! Ich will nichts mehr davon hören.«
Lucy schlug die Tür hinter sich zu, und Sibell schüttelte traurig den Kopf. Sie liebte die beiden, Mann und Tochter, aber sie waren keine Kinder mehr. Sie mussten verstehen, dass Menschen sich ändern können, Veränderung brauchen. Sie selbst sehnte sich verzweifelt danach. Aber das wollte sie nicht zugeben. Sie hatte versucht, Zack zu erklären, dass ihr Leben an einem toten Punkt angelangt war, dass sie eine neue Perspektive benötigte, doch er war ihr nur mit Verachtung begegnet.
»Neue Ufer, was? Jemand Bestimmten im Auge?«
»Das meinst du nicht ernst, Zack. Diese Bemerkung ist deiner nicht würdig. Ich werde dich immer lieben, aber …«
»Und das zeigst du mir, indem du mich verlässt.«
Er tat ihr Leid. Er konnte ihre Gründe einfach nicht begreifen. Die ganze Idee schien über seinen Horizont zu gehen.
»Ist es das Haus? Wir könnten es renovieren, ausbauen, wenn du möchtest. Was immer du willst.«
»Nein, das Haus ist sehr bequem. Verstehst du denn nicht, dass ich eine Veränderung brauche?«
»Dann mach verdammt noch mal Urlaub, wenn du von mir weg
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