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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich im Cockpit zu ihr um und sah sie lange an. »Können wir?«
    »Alles okay, Donald.«
    »Na, dann los! Pater –«
    »Was ist?« rief Pater Lucius zurück.
    »Kein Gebet mehr vor dem Flug in die Hölle?«
    »Sie Lästermaul! Werfen Sie Ihre Propeller an! Wie oft ich innerlich mit Gott spreche, wissen Sie ja nicht.«
    Zynaker stellte die Motoren an. Ein donnerndes Gebrüll erfüllte den Raum, ein Ruck ging durch die Maschine, dann rollte sie an und fuhr langsam zu der schmalen und ziemlich kurzen Startbahn. Sie war nicht betoniert, sondern aus festgewalztem Schotter. Lieutenant Wepper winkte ihnen nach, mit einem erstarrten Gesicht – für ihn gab es kein Wiedersehen mehr.
    Noch einmal heulten die Motoren auf, das Flugzeug raste über die Startbahn, die Passagiere wurden in die Sitze gedrückt, die Schnauze hob sich, und halsbrecherisch steil stieß die Maschine in den Himmel.
    Reißner streckte seine Beine aus. »Ich sag's ja immer wieder: Der Bursche kann fliegen. Der landet sogar in einem Sandkasten«, rief er.
    Für seinen Humor hatte in diesem Augenblick keiner ein Ohr. Alle sahen aus den runden Fenstern hinunter auf die Station Kopago, über die Zynaker jetzt eine Schleife flog und dann Kurs auf das im Morgennebel liegende Hochland nahm. Und jeder von ihnen dachte: Nun gibt es kein Zurück mehr. Sehen wir diesen Flecken Erde wieder? Was wird in zwei Stunden sein? In zwei Stunden werden wir über den unbezwingbaren Bergen kreisen, über den dampfenden Tälern, über den sich durch den Urwald schlängelnden wilden Flüssen, über Urwald, der alles überwuchert, riesigen Bäumen, deren Kronen kaum Licht auf die Erde durchlassen, Schluchten, in denen der Nebel wallt – ein Urland wie vor Millionen Jahren. Und dann wird es unter uns liegen, das geheimnisvolle ›Tal ohne Sonne‹, und wir werden hinunterstarren und alle unsere Herzen schlagen hören, und die Beklemmung wird uns den Hals zudrücken und die Angst – ja, die Angst, warum es leugnen? – in uns hochsteigen und ein Gefühl der Lähmung hinterlassen.
    Aus dem Tal wallten noch in zerrissenen Streifen die Nebel hoch, als Zynaker über den Bordlautsprecher bekanntgab: »Wir sind da! Da unten ist es. Nach der Karte und den Luftaufnahmen muß es die Stelle sein. Aber wir sind zu früh dran; bei dieser Sicht kann ich nicht tiefer runter und euch absetzen.«
    Unter ihnen lag ein undurchdringliches, dichtes Grün, aus dem der Morgennebel wie Dampf emporstieg, ein Grün, das die Berge überwucherte, die Hänge bis hinunter zu dem Fluß, der jetzt gelb aussah und sich im Lauf des Tages in Hellgrau verfärbte, bis ein Schimmer Licht ihn wie Silber glitzern ließ.
    Das Tal war so weit, daß das Flugzeug hineinfliegen und so tief gehen konnte, daß der Absprung mit den Fallschirmen möglich war. Es war ihnen klar, als sie jetzt den lückenlosen, dichten Urwald sahen, daß sie nur im Fluß landen konnten; wenn sie über den Wald abtrieben, stürzten sie in die riesigen Baumkronen, über dreißig Meter vom Boden entfernt. Noch wichtiger war es, daß die Materialfallschirme im Fluß niedergingen, denn was irgendwo in den Mammutbäumen hängen blieb, war verloren, nicht mehr erreichbar.
    Zynaker schien ihre Überlegungen zu ahnen. Er sagte über das Mikrofon: »Zum Glück wird im Tal kaum ein Wind wehen, ihr könnt also nicht abtreiben. Ich gehe so tief wie möglich runter, damit ihr auf den Punkt abspringen könnt.«
    »Wenigstens so hoch muß er bleiben, daß sich der Fallschirm öffnet«, sagte Reißner sarkastisch. »Mein höchster Sprung ins Wasser war vom Dreimeterbrett. Und da dachte ich schon: Junge, jetzt biste mit dem Kopf auf 'nen Stein gefallen.« Während Zynaker über dem Tal zu kreisen begann, legten sie ihre Fallschirme an und halfen sich gegenseitig beim Festschnallen.
    Nur Samuel weigerte sich, sich den Sack auf den Rücken binden zu lassen. »Ich bin noch nie gesprungen!« schrie er und starrte in die Tiefe. »Nein! Nein!« Er wich bis zum äußersten Ende des Flugzeugs zurück, als Pater Lucius mit dem Fallschirmsack zu ihm kam. »Ich sterbe! Ich sterbe!«
    »Wie willst du Idiot denn auf die Erde kommen?« schrie Reißner. »Es ist doch ganz einfach. Wir werfen dich aus dem Flugzeug, die Reißleine ist an der Tür festgebunden, du fällst ein paar Meter, und dann gibt's einen Ruck, und du schwebst sanft in den Fluß. Ist das klar?«
    »Nein, Masta, nein!«
    »Ich passe auf dich auf, Samuel.« Pater Lucius hängte Samuel die breiten Riemen um.

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