Tal ohne Sonne
Außerdem, die völlige Dunkelheit hält die Papuas zurück. Im Licht sind wir für sie ein leichtes Ziel. Da trifft jeder Pfeil.«
»Diese Dunkelheit drückt mir aufs Herz.«
»In zehn Minuten haben Sie sich daran gewöhnt.« Zynaker setzte sich wieder neben Schmitz auf seine Decke und steckte sich eine Zigarette an. Der winzige glühende Punkt tanzte wie ein Leuchtkäfer durch die Nacht.
»Auch die Stille ist eine schwere Last«, sagte Schmitz plötzlich.
»So ist es, vor allem, wenn man auf etwas wartet. Legen Sie sich hin, Pepau, und machen Sie die Augen zu.«
»Wo denken Sie hin, Donald! Ich habe Wache.«
»Sie haben heute genug geschuftet, ruhen Sie sich aus. Ich passe für Sie mit auf.«
»Ich bin kein weicher Jüngling! Nur weil ich hier der Jüngste bin –«
»Sie werden sich wundern, wie hart Sie noch sein müssen. Vielleicht sind Sie der einzige, der durchhält, eben weil Sie jung sind. Dann werden wir Alten uns auf Sie stützen.« Zynaker schnippte die Asche seiner Zigarette weg. »Und jetzt hauen Sie sich hin. Das bleibt ein Geheimnis zwischen uns beiden.«
Er sah schemenhaft, wie Schmitz sich hinlegte und den zusammengerollten Schlafsack als Kopfkissen benutzte. Wenig später hörte er gleichmäßige Atemzüge, tief und ruhig. Pepau schlief.
Ein paarmal in diesen zwei stillen, dunklen Stunden erhob sich Zynaker, ging um die Zelte herum, näherte sich auch den aufgeschichteten Baumgerippen und blieb lauschend stehen. Einmal meinte er ein leises Rascheln gehört zu haben, aber es war so schnell vorbei, daß er nicht sagen konnte, woher es gekommen war.
Verdammt, sie sind da, sagte er sich und ging auf den Platz zwischen den Zelten zurück. Er legte den Finger auf den Lichtschalter und drehte die Lampen zu dem Baumwall, damit beim Aufflammen der Scheinwerfer die plötzliche Blendung einen Schrecken hervorrief. Aber dann war wieder die Stille um ihn, durchzogen vom Gurgeln und leisen Rauschen des Flusses.
Kommt doch, dachte Zynaker. Zeigt euch, dann haben wir klare Verhältnisse. Entweder wir sind Freunde, oder wir schlachten uns gegenseitig ab. Aber dieses Belauern zerfrißt einem die Nerven. Es dringt bis auf die Knochen. Kommt raus aus eurer Deckung!
Er setzte sich wieder auf seine zusammengefaltete Decke, hörte neben sich Schmitz mit tiefen Atemzügen schlafen und dachte darüber nach, was der morgige Tag bringen könnte.
Sie werden uns suchen, weil sie keine Funknachricht erhalten haben. Auf der Station haben wir zwei alte Hubschrauber, mit denen sie die ›Täler ohne Sonne‹ ziemlich tief überfliegen können. Und wenn sie nicht ganz blind sind, müssen sie deutlich die Flugzeugtrümmer im Fluß sehen. Außerdem werden wir Notsignalraketen in den Himmel schießen, wenn wir die Motoren hören. Theoretisch kann gar nichts schiefgehen …
Eigentlich ist das Flugzeugwrack eine hervorragende Expeditionsbasis, ein ideales Standquartier. Das Hinterteil ist noch gut erhalten; wenn es uns gelingt, dieses abgebrochene Stück an Land zu bringen, haben wir das beste Quartier, das man sich wünschen kann. Sogar die Motoren könnten wir ausbauen und als Kraftwerk benutzen. Ich habe noch rund fünftausend Liter Benzin in den Tanks, die könnte man ansaugen und rüberschaffen. Und aus den Flügeln kann man auch noch eine Hütte bauen, Werkzeuge sind genug an Bord.
Er schrak hoch. Er hatte etwas Schleichendes gehört, so etwas wie gedämpfte Schritte, ein Anstoßen an die Kiesel. Er sprang auf, bückte sich, nahm Reißners MPi von Schmitz' Seite und biß die Zähne aufeinander, als er den kalten Stahl in seinen Fingern spürte.
Vor ihm tauchte ein Schatten auf, der auf ihn zuzuschweben schien, und er wollte gerade einen Alarmruf ausstoßen, als er erkannte, daß aus dem Schatten Leonora Patrik wurde. Er senkte die MPi und wartete, bis sie dicht vor ihm stand. »Tun Sie das nicht noch mal«, sagte er heiser. »Um ein Haar hätte ich Sie mit Blei gespickt. Verdammt, warum schleichen Sie hier herum, Leonora?«
»Ich kann nicht schlafen«, antwortete sie leise.
»Dann bleibt man in unserer Situation im Zelt, aber wandert nicht durch die Finsternis.«
»Sie sind ja auch nicht in Ihrem Zelt. Sie haben erst die dritte Wache.«
»Ich habe meine Gründe.«
»Männer verschanzen sich immer hinter Gründen, das ist ihr liebstes Alibi. Nehmen wir an, auch ich hatte einen Grund, nicht in meinem Zelt zu bleiben.« Sie sah sich um, aber die Dunkelheit ließ keinen weiten Blick zu. »Hat nicht Pepau jetzt
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