Tal ohne Sonne
Anstrengung in den Knochen, aber er konnte sie besser verkraften als die anderen. »Auf, Jungs! Die Zelte aufstellen. Hier wird's schnell dunkel. Wenn die Papuas jetzt nicht angreifen, haben wir Ruhe.«
»Wieso?« fragte Reißner und erhob sich ächzend. Er kam sich vor, als habe man ihm alle Knochen zerknickt.
»Die Wilden fürchten die Nacht. Für sie ist sie voller Geister. Erst beim Morgengrauen kann es gefährlich werden.«
»Und wenn dieser Stamm hier eine andere Einstellung zur Nacht hat?« fragte Kreijsman.
»Darum müssen wir Wache halten.«
»Und was tun wir, wenn sie kommen? Hände hoch und den Kopf hinhalten zum Abschneiden?« Reißner blickte auf seine MPi, die neben ihm auf den Kieseln lag.
»Wenn sie uns angreifen, dann nur nach einem Regen von Giftpfeilen, dem dann die Speere folgen. Erst dann wird man sie sehen, das heißt, wir sehen nichts mehr, denn dann sind wir mit Pfeilen gespickt.«
»Fabelhafte Aussichten!«
»Deshalb keine Müdigkeit mehr, Jungs!« Zynaker klatschte in die Hände. »Die Zelte aufbauen! Im Zelt sind wir halbwegs sicher vor den Pfeilen, da bleiben sie im Stoff hängen. Aber ich glaube nicht, daß sie in der Nacht kommen. Für sie sind wir unbekannte Dämonen.«
Es war schon dunkel, als endlich die drei Zelte standen. Zwei Batteriescheinwerfer erhellten den Platz, und schon das mußte für die Wilden ein göttliches Wunder sein, zwei Sonnen in der Nacht. Das können nur die Götter.
»Ich übernehme die erste Wache«, sagte Schmitz. »Wie lange?«
»Der Wechsel findet alle zwei Stunden statt«, antwortete Zynaker. »Der nächste wird Fred sein.«
Kreijsman nickte. Reißner gähnte wieder und sehnte sich nach seinem Schlafsack.
Schmitz sah ihn fordernd an. »Geben Sie mir Ihre Maschinenpistole.«
»Können Sie überhaupt damit umgehen?«
»Wenn man auf den Abzugshebel drückt, rattert sie los – das ist doch alles? Und wo die Sicherung ist, werden Sie mir zeigen.«
Reißner brummte etwas Unverständliches vor sich hin, hob die MPi von der Erde auf und hielt sie Schmitz hin. »Ballern Sie nicht sinnlos herum«, sagte er dabei, »wenn irgendwo im Gebüsch ein Affe raschelt. Ich habe nur zweitausend Schuß Munition bei mir, und keiner weiß, wie lange die reichen müssen.«
»Jetzt wird man sich in Kopago die Haare raufen.« Zynaker blickte in den Nachthimmel. Er ist schwarz, und hier ist es jetzt wie in einem Grab, dachte er. »Lieutenant Wepper wird nach allen Seiten Funksprüche hinausjagen. Zweimotoriges Flugzeug mit sieben Menschen an Bord im Hochland vermißt.«
»Und morgen früh wird die große Suchaktion gestartet.« Pater Lucius schien frohen Mutes zu sein. »Das ist etwas, was mich ungemein beruhigt. Die Flugzeugtrümmer kann man nicht übersehen. Man wird uns finden. So schnell verschwinden heute keine Menschen mehr. Gute Nacht allerseits! Ich werde für uns beten – auch für Sie, Reißner.«
»Verbindlichsten Dank.« Reißner machte eine kleine Verbeugung. »Grüßen Sie den alten Herrn von mir.«
»Auch Sie werden ihn einmal brauchen.«
»Vielleicht.« Reißner lachte laut. »Ich gebe Ihnen ein Zeichen, wenn's soweit ist.« Er schlüpfte in das Zelt, das er mit Kreijsman teilte, glitt in den Schlafsack und war nach wenigen Minuten eingeschlafen.
»Er hat nur eine große Schnauze«, sagte Zynaker verächtlich, als Reißner im Zelt verschwunden war. »Das ist auch alles. Ich bin gespannt, wie er den Marsch durch den Urwald übersteht. Samuel?«
»Hier bin ich, Masta.« Samuel kam aus dem Schatten eines Zeltes hervor in den Lichtkreis der Lampe. Der Blick seiner schwarzen Augen irrte umher. Er schien sehr unruhig zu sein.
»Sind Papua-Krieger in der Nähe?«
»Ich weiß es nicht, Masta.«
»Ihr riecht euch doch sonst kilometerweit gegen den Wind.« Zynaker zeigte in die völlige Dunkelheit, in der jetzt der Wall aus toten Bäumen lag. »Hier waren doch Menschen. Ich denke, du bist der beste Spurensucher des Hochlands?«
»Morgen früh, Masta, werde ich suchen. Hatte ich heute dafür Zeit?«
»Da hat er recht, Donald«, sagte Leonora. »Haben Sie Angst?«
»Ja, um Sie …«
»Wir werden alle das gleiche Schicksal erleiden, Donald. Aber ich glaube, Sie sehen alles viel zu schwarz. Warten wir die erste Begegnung mit den Wilden ab – ich hoffe, die wird nicht so dramatisch, wie wir alle befürchten.«
»Sie hoffen …«
»Ohne Hoffnung wäre jedes Unternehmen sinnlos.« Leonora ging aus dem Schein der Batterielampe zu ihrem Zelt. Neben dem
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