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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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Paulus geweiht war, diesem unerschrockenen Vorkämpfer des Christentums, an dessen Seite Rocchigiani sich gewiss wohlfühlen würde.
    Graziellas Gedanken hüpften weiter, und für einige Augenblicke
glaubte sie beinahe selbst an das Credo über Frauen, das ihr Großonkel immer von sich gab. Er hielt ihr Geschlecht für sprunghaft und wenig entscheidungsfreudig und deshalb der männlichen Leitung bedürftig. Mit einer heftigen Handbewegung wischte sie diese Überlegung beiseite und ging wieder in ihr Zimmer. Im Augenblick übte ihr Computer eine große Anziehungskraft auf sie aus. Sie schaltete den Apparat ein und wartete ungeduldig, bis er hochgefahren war. Da sie nicht nur als Hausdame, sondern auch als Sekretärin ihres Großonkels tätig war, kannte sie etliche seiner Passwörter und konnte sich relativ frei im elektronischen Datenarchiv des Vatikans bewegen. Sie loggte sich ein, und ihre Finger tippten fast von selbst das Suchwort in die Tasten.
    »Filii Martelli«
    Es dauerte einige Augenblicke, bis das Bild wechselte und ein Text erschien, doch zu Graziellas Enttäuschung handelte es sich nur um ein paar Zeilen.
    »Die Söhne des Hammers – bezogen auf Karl Martell, 732 Sieger bei Poitiers über die Sarazenen: Gruppe von militärischen Mönchskriegern im Ersten und Zweiten Kreuzzug, zumeist deutscher und italienischer Herkunft, später im Orden der Tempelritter und im Deutschen Ritterorden aufgegangen.«
    Die Auskunft war zu knapp, um Graziella zufriedenzustellen. Sie forderte weitere Informationen über die Söhne des Hammers an, erhielt aber immer nur diese eine Seite. Da sie wusste, dass alle Dinge, die die Kirche betrafen, ganz gleich, wie wichtig oder unwichtig sie waren, im Vatikanischen Archiv
gespeichert wurden, fand sie die dürren Worte ungewöhnlich. Zur Kontrolle rief sie jetzt den Deutschen Ritterorden auf und erhielt zunächst eine Inhaltsangabe, die sich über viele Seiten erstreckte. Sie ging aufmerksam das Register durch, doch keinem Eintrag war zu entnehmen, dass der Ritterorden außer den livländischen Schwertbrüdern eine weitere Gemeinschaft aufgenommen hätte.
    Graziella öffnete nun weitere Dateien, in denen sie Informationen vermutete. Ihr Gespür, das sie sonst so oft ans Ziel geführt hatte, versagte diesmal jedoch auf ganzer Linie. Wenn es je eine Gruppe gegeben hatte, die sich als Filii Martelli, also als Söhne des Hammers bezeichnet hatte, so hatte sie in den Datenbanken des Vatikans keine nennenswerten Spuren hinterlassen. Auch eine Suche in den umfangreichen Informationen über den Templerorden erbrachte keine neuen Erkenntnisse. Eines wunderte Graziella jedoch. Waren bei anderen, oftmals nur kurzzeitig existierenden Orden und Gruppen die Namen der Gründer und vieler Angehöriger verzeichnet, so blieben die Söhne des Hammers anonym. Diese Gruppierung schien nicht lange existiert zu haben, oder sie war zu unbedeutend gewesen, um ihr mehr als ein paar Zeilen zu widmen.
    Doch gerade das konnte Graziella sich angesichts der Aktensammelwut, welche die päpstlichen Behörden seit Jahrhunderten auszeichnete, nicht vorstellen. Weit davon entfernt, entmutigt zu sein, stellte sie ihren Computer wieder ab und starrte auf den dunkel gewordenen Bildschirm. Sie würde sich nicht eher zufriedengeben, als bis sie mehr über diese Gruppe herausgefunden hatte.

NEUN
    I n München hatte Torsten Renk trotz der kühlen, stets beherrscht wirkenden Aura, mit der er sich umgab, den Schmerz um den Verlust seiner Freundin nicht überwunden. Obwohl zwischen Andrea und ihm zuletzt nicht mehr alles zum Besten gestanden hatte, spürte er eine Leere in sich, die ihn beinahe an sich selbst verzweifeln ließ. Es schmerzte ihn, dass es ihm nicht mehr gelungen war, sich mit Andrea auszusprechen. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Zunächst überlegte er, ob er gemeinsame Bekannte aufsuchen sollte, um mit ihnen über das schreckliche Ereignis zu reden. Aber sein Verdacht, Hans Joachim Hoikens könnte Andrea getötet haben, um sich an ihm zu rächen, ließ ihn nicht mehr los.
    Einen ganzen Tag und die halbe Nacht streifte er ziel-und planlos durch München und durchkämmte die ihm bekannten Aufenthaltsorte der rechten Szene. Die meisten, die er dort antraf, waren keine überzeugten Neonazis, sondern wollten nur ihren Protest gegen eine Gesellschaft ausdrücken, die ihnen in ihren Augen keine Chancen bot. Die wirklichen Radikalen wie Rudi Feiling und Hajo Hoikens mieden diese Lokale und schickten

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