Tallinn-Verschwörung
folgen. »Nicht so laut! Einige meiner Angestellten sind Esten. Die denken sonst noch, wir würden Sachen ins Land schmuggeln und dabei den Zoll umgehen.«
»Das tut ihr doch auch«, spottete Mazzetti.
»Natürlich! Aber das muss ich doch nicht an die große Glocke hängen.« Der Koch zwinkerte listig mit den Augen, während er Hoikens und Mazzetti in den Kühlraum führte. Dort konnte Hoikens feststellen, dass der Botschafter und seine Angestellten wirklich nicht darben mussten. Hier lagerten genug Parmesan, Parmaschinken und andere Köstlichkeiten, um ein halbes Heer ein paar Wochen lang zu versorgen.
Mazzetti griff nach einer Wurst und sog deren Duft ein. »Wunderbar! Darf ich diese Salami mitnehmen?«
»Selbstverständlich. Wollen Sie auch etwas, Signore?«, wandte der Koch sich an Hoikens.
»Nur den Käse, der für uns bestimmt ist!«
»Der Herr ist Deutscher, und die sind, wie du weißt, immer ein wenig seltsam«, raunte Mazzetti dem Koch zu.
Der Mann verdrehte die Augen, sagte aber nichts, sondern räumte einige Pakete zur Seite, bis zwei rechteckige Kartons zum Vorschein kamen, die an der Seite eingerissen waren.
Hoikens sog erschrocken die Luft ein, doch der Koch beruhigte ihn sofort. »Dem Inhalt ist nichts passiert. Ich musste die Schachtel nur unauffällig kennzeichnen, damit wir sie nicht aus Versehen verwenden. Dieser Käse hätte, würde ich sagen, arg scharf geschmeckt.« Der Mann kicherte bei seinen Worten.
Hoikens’ Gesichtsausdruck verriet, dass er solche Scherze nicht mochte. »Ein Pfund davon in der Bratpfanne, und ihr hättet eine neue Botschaft bauen können.«
»So stark ist das Zeug?« Der Koch war beeindruckt und bemühte sich, das Paket schnell an Hoikens weiterzureichen. »Das nächste Mal warnt ihr mich gefälligst, damit es nicht doch noch aus Versehen knallt!«
»Hier in Tallinn wird es so schnell kein nächstes Mal mehr geben.« Hoikens nahm die beiden Sprengstoffschachteln und verließ den Kühlraum, ohne auf die beiden zu warten.
Mazzetti fand gerade noch die Zeit, sich mit ein paar Worten von dem Koch zu verabschieden und diesem zu versichern, dass die Bewegung den Dienst, den er eben geleistet hatte, nicht vergessen würde. Dann lief er hinter Hoikens her.
»Der Polizeiposten hat uns vorhin leer hereingehen sehen. Was ist, wenn er jetzt wissen will, was wir bei uns tragen? «, fragte er besorgt.
»Das lass meine Sorge sein!« Hoikens ging direkt auf den Posten zu und hielt seinen Mund knapp an dessen Ohr. »Italienischer Geheimdienst! Wir haben hier nur ein paar Lebensmittel aus der Heimat geholt. Hier, die Wurst ist für Sie. Lassen Sie sie sich schmecken.« Ohne auf Mazzettis empörten Blick zu achten, nahm er seinem Begleiter die Salami ab und steckte sie dem Wachtposten zu.
Der Este ließ die Wurst unter seiner Uniformjacke verschwinden und lächelte. »Ich wünsche den Herren noch einen schönen Aufenthalt in unserer Stadt.«
»Den werden wir haben!« Hoikens nickte dem Mann kurz zu und reihte sich dann in den Strom der Passanten ein.
Mazzetti blieb hinter Hoikens zurück und starrte auf dessen Rücken. Dabei wusste er nicht, ob er jetzt die Kaltblütigkeit seines Begleiters bewundern oder der Wurst nachtrauern sollte.
FÜNFZEHN
I n Tallinn wimmelte es nur so von Sicherheitskräften. Torsten hatte noch nie so viele verschiedene Uniformen auf einem Haufen gesehen. Alle EU-Länder, die USA und die Türkei hatten Spezialkräfte geschickt, um das Treffen der EU-Regierungschefs zu überwachen, an dem neben dem türkischen Ministerpräsidenten Demirkan auch der amerikanische Vizepräsident Stark teilnehmen würde.
Zwanzig Kilometer vor der Küste lag der neue US-Flugzeugträger Ronald Reagan mit über einhundert Kampfflugzeugen und Hubschraubern und sicherte den Luftraum über Tallinn, um jeden Angriff von Selbstmordpiloten zu verhindern. Torsten erfuhr durch das Fernsehen, dass in Großbritannien eine muslimische Terrorgruppe ausgehoben worden war, die einen solchen Anschlag geplant hatte. In seinen Augen war jeder Versuch dieser Art zum Scheitern verurteilt. Die amerikanischen Fighter würden jede Heuschrecke vom Himmel holen, die sich unerlaubt der Stadt nähern wollte. Die Muslime in Tallinn wurden überwacht, und andere, die in die Stadt kommen wollten, unter fadenscheinigen Begründungen zurückgeschickt, darunter versehentlich sogar ein Mitglied der offiziellen türkischen Delegation.
Für dunkelhaarige, sonnengebräunte Männer, die dazu noch einen
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