Tallinn-Verschwörung
italienische Botschaft war versperrt wie eine Festung, doch die italienischen Pässe, die Mazzetti und Hoikens dem Wachtposten präsentierten, sorgten dafür, dass sie unbehelligt eintreten konnten. Im Innern des Gebäudes fanden sie sich problemlos zurecht. Sie hatten die Pläne studiert und wussten daher auf Anhieb, wo ihre Kontaktpersonen zu finden waren. Die erste war eine junge, attraktive Angestellte, deren Onkel Fiumettis Partei angehörte, ohne zu ahnen, dass die Nichte ihn an Entschlossenheit und Ehrgeiz bei weitem übertraf. Sie kannte Mazzetti von gemeinsamen Parteitreffen und begrüßte ihn freudig. In die Planung des Anschlags war sie nicht eingeweiht, sie wusste nur, dass Mazzetti mit einem Begleiter kommen und ein paar Sachen abholen würde, die mit der Post geschickt worden waren.
Während sie das Paket aus einem verschlossenen Schrank holte, sah sie sich immer wieder zu Hoikens um. Mazzetti war zwar ein hübscher Bursche, und sie hatte auch schon eine kurze Affäre mit ihm genossen, doch dieser tedesco war auf seine Art etwas Besonderes. Sein Gesicht erinnerte sie an Brad Pitt, auch wenn er energischer wirkte und vor allem härter. Das war ein Mann, der unbeirrt von allen irdischen Einflüssen seinen Weg gehen würde.
Ihr Interesse an ihm wuchs, als er das Paket öffnete und mit sicherem Griff eine matt glänzende Pistole mit Schultergurt herausholte. »Das ist aber eine schöne Waffe. Darf ich sie mal halten?«, fragte sie.
Hoikens reichte ihr die Sphinx AT 2000 S mit einer fast andächtigen Bewegung. Es war ihm nicht leichtgefallen, während der Reise auf Renks Pistole zu verzichten, doch die Vorsicht hatte ihm geraten, sie nicht mitzunehmen. Daher hatte er sie persönlich in diese Kiste gepackt, die an die Botschaft geschickt werden sollte. Jetzt, da er sie wieder in Händen halten konnte, fühlte er sich um etliches besser.
Mit einem Lächeln nahm er der jungen Frau die Waffe wieder ab und steckte sie ein. »Entschuldigung, aber ich habe sie lange vermisst!«
»Das verstehe ich!« Ihre Stimme wurde zu einem einzigen Locken. »Ich heiße Madalena. Wollen wir uns nicht heute Abend treffen, im R.I.F.F. zum Beispiel? Jeder Taxifahrer kennt es.«
»Ich werde sehen, was sich machen lässt.« Obwohl Hoikens Frauen nicht grundsätzlich abgeneigt war, missfiel ihm diese Entwicklung. Er hatte an anderes zu denken als an Sex, und dass es dazu kommen sollte, las er in den Augen der Italienerin.
Bemüht, nicht unfreundlich zu wirken, machte er das Paket wieder zu. Die junge Frau brauchte nicht zu wissen, welche
anderen Dinge die Sendung noch enthielt. Sie waren für das Gelingen seines Plans ebenso wichtig wie der Sprengstoff, den sie jetzt abholen wollten.
»Signorina, es war mir eine Freude!«
»Bis heute Abend!«
Hoikens lächelte verbindlich und war froh, als er das Zimmer verlassen konnte. Mazzetti folgte ihm grinsend. »Die geht aber ran, nicht wahr? Schade, dass es mit uns nicht mehr läuft.«
»Du kannst die Verabredung gerne selbst übernehmen«, antwortete Hoikens knurrig.
»Das würde ich nur allzu gerne, aber dann dürfte die Kleine sehr enttäuscht sein, und enttäuschte Frauen sind zu vielem fähig. Sie könnte in ihrer Wut sogar unseren Plan gefährden. Das willst du doch sicher nicht.«
Hoikens hätte Mazzetti eine herunterhauen können. Der Mann tat so, als wären sie zum Vergnügen hier. Gleichzeitig aber durfte er diese Warnung nicht in den Wind schlagen. Auch wenn Madalena nicht in seine Pläne eingeweiht war, wusste sie schon zu viel. Eine Hand streichelte unbewusst die Stelle, an der er die Pistole umgeschnallt hatte. Vielleicht war es besser, sie auszuschalten. Darüber musste er nachdenken. Aber jetzt war der Sprengstoff wichtiger.
Als hätten sie den Aufzug nicht gefunden, stiegen sie einige Treppen hinab, bis sie in den hinteren Teil des Gebäudes kamen, in dem der Koch sein Revier hatte. Als sie die Küche betraten, schmeckte dieser gerade die Pastasoße ab und ließ sich auch von Hoikens’ mahnendem Räuspern nicht stören.
Erst als die Soße nach seinem Geschmack war, drehte er sich zu ihnen um. Wie Madalena kannte auch er Mazzetti persönlich. Er übergab den Kochlöffel einem seiner Untergebenen und streckte den Ankömmlingen die Rechte entgegen.
»Willkommen, Signori! Ich freue mich riesig, Sie hier zu sehen.«
»Wir wollen den Käse holen«, unterbrach Hoikens ihn barsch.
Der Koch warf einen Blick auf seine Leute und winkte Hoikens und Mazzetti, ihm zu
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