Tallinn-Verschwörung
sogenannten Beweismittel vom ägyptischen Geheimdienst unterschoben worden sind. In den Zeitungen liest es sich natürlich anders.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Torsten ärgerte sich, weil dadurch die ganze Aufmerksamkeit auf mögliche muslimische Terroristen gelenkt wurde. Dabei kam die Gefahr für die Tagung weniger von diesen Fanatikern, sondern von Hoikens und seinen rechtsextremen Freunden. Die Al Kaida wusste, dass sie kaum eine Chance hatte, die hiesigen Sicherheitsmaßnahmen zu durchbrechen, und würde sich für ihre nächsten Anschläge schlechter bewachte Ziele aussuchen. Für einen Mann wie Hoikens hingegen war diese Situation eine Herausforderung, es allen zu zeigen.
Doch wo mochte der Kerl sein, fragte Torsten sich, und wo würde er zuschlagen?
SECHZEHN
H auptmann Renzo war mit den Vorbereitungen für seinen Angriff hochzufrieden. Ghiodolfio hatte ihn und seine Leute samt zwei Schmugglerbooten mit Hilfe eines Antonow-Großraumflugzeugs nach Schweden bringen lassen.
Von dort aus war der größte Teil des Trupps per Bus und Fähre nach Finnland gereist, während die Boote in einen der großen skandinavischen Trucks verfrachtet und hinterhergefahren worden waren. Jetzt befand sich die gesamte Gruppe in einem durch Tarnnetze geschützten Lager auf einer kleinen Insel südlich von Porkkala und war bereit zum Sprung über den Finnischen Meerbusen.
Renzos Blick glitt über seine Männer. Es waren die besten Jungs, die er je befehligt hatte. In seinen Augen standen sie den englischen SAS-Truppen oder den US Seals in nichts nach. Ghiodolfio hatte sie alle mit tschechischen CZ-Pistolen, alten russischen Baikalsturmgewehren und leichten Granatwerfern ausrüsten lassen. Die Waffen mochten nicht gerade die modernsten sein, aber sie waren robust und zuverlässig. Der Clou waren jedoch je ein schweres, russisches NSW-Maschinengewehr sowie zwei Milan-Raketen pro Boot, die allerdings erst eingesetzt werden sollten, wenn sie Tallinn erreicht hatten.
Die Boote waren schmal, flach und mit Kunststoffrümpfen ausgerüstet, die vom Radar kaum auszumachen waren. Daher würden sie sie ebenso zuverlässig über diesen Seitenarm der Ostsee bringen wie die albanischen Schmuggler über die Adria. Allerdings mussten seine Leute die Boote selbst lenken, denn Beslan und seine Albaner hatten sich geweigert, mitzukommen.
Renzos Gesicht spiegelte seine Verachtung wider, als er daran dachte. Die Kerle hatten wirklich geglaubt, er würde ihnen das Geld für die Boote geben und sie einfach gehen lassen. Jetzt lagen die sechs ein paar Fuß unter der Erde. Das war in Renzos Augen ein verdientes Schicksal. Schließlich hatten sie viele Jahre Rauschgift und Drogen nach Italien gebracht und damit das Volk geschädigt. Es ist an der Zeit, dass mit diesem Gesindel aufgeräumt wird, sagte er sich, während
er ein paar seiner Männer zuwinkte, die mit Espressotassen aus der improvisierten Feldküche kamen.
Genau wie Renzo trugen sie die sackähnlichen Uniformen der estnischen Infanterie, die anscheinend noch von Stalins Schneidern entworfen worden waren und keinem Vergleich mit den Felduniformen der italienischen Streitkräfte standhielten. Doch diese Verkleidung war notwendig, damit Renzo und seine Leute bis zuletzt für estnische Soldaten gehalten wurden. Allerdings sahen sie von nahem nicht mehr wie Ostseebewohner aus, ja nicht einmal wie Italiener. Selbst die drei finnischen Kameraden und die beiden estnischen Lotsen, die sie nach Tallinn führen sollten, hatten sich ihre Haare schwarz gefärbt. Dem größten Teil seiner Leute spross sogar ein Vollbart. Auch Renzo hatte sich seit mehr als zwei Wochen nicht mehr rasiert. Zusammen mit dem Palästinensertuch, das er in seinem Rucksack hatte, musste es als Verkleidung reichen. Für die Verhandlungen mit der Gegenseite hatten sie sogar zwei echte Araber bei sich, irakische Christen, die für die Amerikaner gearbeitet hatten und nach deren Abzug schleunigst die Beine in die Hand genommen hatten, um von ihren Landleuten nicht als Verräter abgeschlachtet zu werden.
»Ich wollte, es würde bald losgehen!« Tino, der vor einiger Zeit mit Don Batista nach Rom gegangen war, sich dann aber entschlossen hatte, wieder zu seinen Kameraden zurückzukehren, kratzte sich nervös am Bart. Mit einem Mal zeigte er mit dem Daumen auf die rot gestrichene Hütte, die ihnen als Hauptquartier diente.
»Im Fernsehen bringen sie ständig Berichte über diese Schandversammlung in Tallinn. Fast alle
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