Tallinn-Verschwörung
froh, als sie die Autobahn bei Arezzo verlassen konnte. Ihre Hoffnung, ihren Onkel bald zu sehen, verlor sich jedoch auf den verschlungenen Bergstraßen des Pratomagno, und sie verfluchte dabei
das Navigationssystem des Leihwagens, das sie über bessere Ziegenpfade leitete. Etliche Male glaubte sie sich schon verfahren zu haben, als das kleine Dorf vor ihr auftauchte, bei dem das Kloster San Isidoro liegen sollte.
Inzwischen dämmerte es bereits, und sie hätte beinahe den verblassten Wegweiser übersehen, der den Weg zum Kloster anzeigte. Graziella musste ihren Wagen ein kurzes Stück zurücksetzen, dann konnte sie die letzten zwei Kilometer in Angriff nehmen.
Anscheinend war sie nicht die Einzige, die das Kloster zum Ziel hatte, denn kaum hatte sie den Weg dorthin eingeschlagen, folgten ihr die Lichtkegel eines anderen Wagens. Unwillkürlich wurde Graziella schneller und achtete mehr auf das Auto hinter sich als auf die Straße. Daher entdeckte sie den Kastenwagen, der mit ausgeschalteten Lichtern schräg über dem Weg stand, erst spät. Im letzten Augenblick trat sie auf die Bremse und konnte gerade noch einen Zusammenstoß vermeiden.
Im Licht ihrer Scheinwerfer sah sie mehrere Leute auf sich zukommen. Als sie Don Batista und den Archivar erkannte, geriet sie in Panik. Nur weg von hier, schoss es ihr durch den Kopf, und sie legte den Rückwärtsgang ein. Doch da war der Wagen hinter ihr heran und stellte sich ebenfalls quer. In einem Reflex verriegelte Graziella die Türen von innen und drückte gleichzeitig mit der anderen Hand auf die Hupe, um die Umgebung zu alarmieren.
Da waren die Kerle auch schon bei ihr. Einer hielt einen schweren Schraubenschlüssel in der Hand und schlug kurzerhand die Scheibe auf der Fahrerseite ein. Ein anderer packte ihren Kopf und presste ihr einen stinkenden Lappen aufs Gesicht. Während sie verzweifelt nach Luft rang, wurde ihr klar, dass das Tuch mit Chloroform getränkt war. Dann drehte sich alles um sie, und sie versank im Nichts.
»Na, hat das nicht gut geklappt, Don Batista?«, fragte einer der Männer zufrieden.
»Ja, aber nur, weil wir uns hier wirklich am Ende der Welt befinden. Trotzdem sollten wir schnell machen. Bringt das Weibsstück in den Kastenwagen. Lodovico und Gianni kommen mit mir, ebenfalls einer von euch als Fahrer. Ihr anderen lasst diese beiden Fahrzeuge verschwinden.«
Gianni im geblümten Hemd hob die Hand. »Der Wagen, den ich geliehen habe, muss zurückgegeben werden. Ich habe meine eigenen Papiere vorgelegt und will nicht als Autodieb verfolgt werden.«
Don Batista überlegte kurz und nickte. »Das soll einer der anderen erledigen. Dich brauche ich hier.«
Er stieg ein und wartete, bis drei seiner Helfer die bewusstlose Graziella in den Wagen gebracht hatten. Lodovico und Gianni setzten sich nach hinten, während einer der anderen Männer das Steuer übernahm und den Kastenwagen an der nächsten Einmündung wendete.
Gianni und Lodovico fesselten Graziella die Hände mit Klebeband auf den Rücken und schnürten ihre Beine zusammen. Obwohl sie betäubt war, steckten sie ihr einen Knebel in den Mund und sicherten diesen mit einem Tuch, das sie in ihrem Nacken verknoteten.
Danach setzte Gianni sich neben Graziella und griff ihr an den Busen. »Das ist ein leckerer Happen. Ich glaube, die werde ich vernaschen.« Er wollte ihre Bluse aufknöpfen, doch da krallten sich Don Batistas Finger in seinen Arm.
»Halt, Gianni! In meiner Gegenwart wirst du sie nicht entkleiden, geschweige denn, sie benutzen.«
»Haben sie dir in deiner Jugend die Eier zu heiß gebadet, dass du keinen mehr hochbringst?«, fragte Gianni verärgert. Im nächsten Moment starrte er in den Lauf einer Kleinpistole, die Don Batista in der Hand hielt.
»Für deinesgleichen heißt es immer noch Hochwürden und Sie, verstanden! Und was diese Frau hier betrifft, so müssen wir herausbringen, was sie weiß und wen sie bereits informiert haben könnte. Mach ihre Tasche auf!«
Zähneknirschend öffnete Gianni Graziellas Gepäck und durchwühlte es. Obenauf lag etwas Unterwäsche. Er machte sich einen Spaß daraus, mit einem Höschen kurz vor Don Batistas Nase herumzuwedeln, bevor er es in eine Ecke warf. Danach zog er eine Schachtel mit Monteleones Lieblingspralinen heraus, die Graziella für ihren Onkel gekauft hatte. Darunter befand sich ein hellblauer Schnellhefter.
Don Batista schnappte danach wie ein Hund nach dem Knochen und schlug ihn auf. Sofort wurde ihm klar, welche Beute er
Weitere Kostenlose Bücher