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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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ihren Männerbeziehungen bekannten, so um, als wüsste sie nichts davon. Winters Sekretär aber stieß sie ab. Vielleicht lag das an der Tatsache, dass er sie wie einen Dienstboten behandelt hatte. Auch wenn sie auf Wunsch ihres Großonkels hier im Haus den strengen Habit der Malteserinnen einschließlich Häubchen und Umhang trug, war sie weder eine Ordensschwester noch für die Hausarbeit zuständig. Die erledigte die alte Nora, die bereits seit vierzig Jahren den alten Herrn versorgte, und ihre Nichte Gina, die von Zeit zu Zeit kam und die gröberen Arbeiten verrichtete.
    Graziella stammte ebenso wie ihr Großonkel aus der Seitenlinie eines alten römischen Adelsgeschlechts und war es gewöhnt, achtungsvoll behandelt zu werden. Im ersten Impuls wollte sie dem Sekretär die Meinung sagen, doch da schoss eine Idee durch ihren Kopf. Mit einem betont verschlossenen
Gesicht, das gar nicht zu ihrem mühsam unterdrückten Kichern passen mochte, wandte sie sich ab und eilte durch die Flure des repräsentativen Palazzo, den der Kardinal bewohnte, zu ihrem Zimmer. Es lag direkt hinter dem ihres Großonkels, war aber nur über einen anderen Korridor zu erreichen. Die Rückwand grenzte an die Seitenwand des Kardinalszimmers, und zwischen den beiden Räumen gab es einen geheimen Durchgang. Den hatte Nora ihr gezeigt für den Fall, dass der alte Herr plötzlich krank wurde und um Hilfe rief. Auf diesem Weg könnte sie den Kardinal sofort erreichen und musste nicht durch die endlos langen Flure laufen.
    Nun wollte sie sich ihr Wissen um die Geheimtür zunutze machen. Sie bestand aus einem Schrank, den man von beiden Zimmern aus betreten konnte und dessen Türen sich auch von innen öffnen ließen. Graziella schloss ihre Seite auf und stieg vorsichtig in den etwas muffig riechenden Zwischenraum, in dem etliche alte Mäntel und längst ausrangierte Messgewänder hingen. Da sie nicht ausschließen konnte, dass Nora oder deren Nichte Gina ihr Zimmer betraten, um es zu reinigen, zog sie die Schranktür hinter sich zu, ließ aber den Schlüssel wie gewohnt von außen stecken.
    Entschlossen schob sie ein gewisses Gefühl der Scham beiseite, das sie beim Betreten des Schrankes befallen hatte, und konzentrierte sich auf das Geschehen im Nebenraum. Sehen konnte sie nichts, doch die Stimmen ihres Großonkels und seines Gastes waren gut zu verstehen.
    Bis zu diesem Moment hatte Graziella sich noch keine Gedanken über ihre Motive gemacht. Sie war eigentlich nur hierhergekommen, um sich selbst zu beweisen, dass auch ein Weihbischof Winter sie nicht von den Vorgängen im Haus ausschließen konnte. Sonst gönnte sie ihrem Großonkel seine kleinen Geheimnisse, aber diesmal wollte sie wissen, was
die deutsche Kröte von ihm wollte. Wie der Mann sich eingeführt hatte, würde er ihren Großonkel möglicherweise so aufregen, dass dessen Gesundheit darunter litt. Vielleicht, verspottete sie sich, hieß ihr Motiv auch nur weibliche Neugier.

SECHS
    »… bedauerlich, dass Kardinal Rocchigiani so überraschend gestorben ist.« Monteleone seufzte und trank einen Schluck seines Espressos, bevor er weitersprach. »Dennoch beglückwünsche ich dich, Bruder Francesco, zu deiner Ernennung. Es hat mich schon etwas überrascht, dass ein so junger Mann wie du zum neuen Oberhaupt unseres Bundes bestimmt wurde, denn es gibt einige langjährige Mitglieder des Ordens, die dieser Ehre würdig gewesen wären.«
    Der Kardinal verschluckte im letzten Moment eine Silbe, die seinen Gast hätte beleidigen können, denn er war der Ansicht, dass er selbst um einiges würdiger gewesen wäre als Winter, dieses hohe Amt zu übernehmen.
    Sein Gast verstand durchaus, was er meinte, und setzte ein nachsichtiges Lächeln auf. Ihm war bekannt, dass Monteleone gehofft hatte, Rocchigiani nachfolgen zu können. Aber für diese wichtige und aufopferungsvolle Aufgabe war der Kardinal zu alt. Es erschien Weihbischof Winter jedoch nicht ratsam, dies seinem Gastgeber ins Gesicht zu sagen. Stattdessen legte er dem Kardinal die Hand auf den Unterarm und zog ihn näher zu sich heran.
    »Niemand kann überraschter gewesen sein als ich, als mir diese Berufung überbracht wurde. Wie es aussieht, waren die ehrenwerten Mitglieder unserer heiligen Gesellschaft den
zaghaften Kurs meines Vorgängers leid und wollen nun Taten sehen.«
    »Kardinal Rocchigiani war wohl zu sehr auf Ausgleich bedacht«, antwortete Monteleone, der als neues Oberhaupt des Ordens die Politik seines Vorgängers nahtlos

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