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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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bis zum Verfolgungswahn. Wahrscheinlich würde der Leutnant erst Ruhe geben, wenn er Hoikens aufgespürt hatte. Wagner war klar, dass Andreas Tod für Renk eine Katastrophe darstellte, für die dieser auch noch die Schuld bei sich suchte. Wenn er eine Möglichkeit fand,
seinem Untergebenen über die schlimmste Zeit hinwegzuhelfen, würde er es tun. Einen Moment lang überlegte er, ob er Renk gleich wieder nach Afghanistan schicken sollte. Dort hätte der Leutnant keine Zeit, sich einzureden, Andrea sei ermordet worden, weil der Täter sich an ihm hatte rächen wollen. Doch sein Untergebener hatte ein Anrecht auf den bereits genehmigten Urlaub und konnte während dieser Zeit machen, was er wollte.
    »Wegen mir können Sie diesem Hirngespinst weiter nachjagen, Renk. Aber eines sage ich Ihnen: Ich will nicht hören, dass Sie mit Ihrem Schweizer Spielzeug in der Gegend herumballern. «
    Torsten lächelte freudlos, als sein Vorgesetzter auf seine Sphinx AT 2000 S Bi-Tone anspielte, eine der präzisesten Pistolen der Welt. Die Waffe hatte er sich um die Zeit geleistet, als Andrea in sein Leben getreten war, aber er hatte sie seither nur ein Mal einsetzen müssen.

FÜNF
    W ährend Torsten Renk vom Tod seiner Freundin erfuhr, servierte Graziella Monteleone in der Via Benedetto XIV. nahe dem Vatikan ihrem Großonkel, dem Kardinal Giuseppe Antonio Monteleone, und seinem deutschen Gast Espresso aus kleinen, schwarzen Tassen mit einem goldenen Kreuz. Es musste sich um besondere Tassen handeln, denn in den fünf Jahren, die Graziella bereits als Hausdame bei ihrem Verwandten weilte, hatte sie dieses Geschirr kein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Erst als sein Besucher eingetroffen war, hatte der Kardinal ihr einen Schlüssel gegeben, den er immer um den Hals trug, und sie angewiesen,
die Tassen aus dem untersten Schubfach eines aus massivem Holz gefertigten Schrankes zu nehmen, der mit einem altmodischen, aber sehr komplizierten Schloss gesichert war.
    Kaum war das geschehen, hatte Monteleone ihr den Schlüssel wieder abverlangt, obwohl sie die Tassen nach dem Spülen wieder verstauen musste. Graziella schüttelte den Kopf über den Eigensinn des alten Herrn, der in ihren Augen bereits an Senilität grenzte. Kaum hatte sie die Tassen gefüllt und ausreichend Zucker bereitgestellt, ergriff er die Hand seines Gastes und drückte sie wie die eines lange entbehrten Freundes.
    Auf Graziella machte der tedesco den Eindruck einer Kröte. Sein schwarzer Anzug spannte sich über dem Bauch, die Hosen schienen zu lang für seine kurzen Beine, und der Kopf, den nur noch ein Kranz grauer Haare umgab, glich einem roten Kürbis, der kurz vor dem Platzen steht. Selten war ihr ein Mensch auf den ersten Blick so unsympathisch gewesen. Aber da Weihbischof Winter als Gast im Haus ihres Großonkels weilte, musste sie ihm die Ehrerbietung erweisen, die seinem Rang zukam.
    »Wünschen Sie noch etwas Gebäck?«, fragte sie höflich.
    Die Kröte sah mit abweisender Miene zu ihr auf. »Nein, du kannst gehen!«
    Sein Italienisch klang grauenhaft, und sein Tonfall war unverschämt. So viel Unhöflichkeit war Graziella im Haus ihres Großonkels nicht gewöhnt, und ihre Augen flammten auf.
    »Hast du nicht gehört, mein Kind? Lass uns allein!« Der Kardinal schien zu bemerken, dass seine temperamentvolle Verwandte kurz vor einem heftigen Zornesausbruch stand, denn er packte ihren Arm und deutete mit ihrer eigenen Hand Richtung Tür.
    Noch bevor Graziella begriff, wie ihr geschah, legte der Sekretär des Weihbischofs, ein mittelgroßer, schlanker
Mann, dessen Gesicht zu bleich für die südliche Sonne wirkte, ihr die Hände um die Taille und beförderte sie wie ein widerspenstiges Kind auf den Flur hinaus.
    »Du kannst die Wäsche plätten, Schwester, während die Eminenzen miteinander reden.« Sein Italienisch war zwar besser als das seines Herrn, sein Ton aber noch verächtlicher.
    Als Graziella sich zu ihm umdrehte, wischte er gerade seine Hände an einem Taschentuch ab, als habe er sich an ihr schmutzig gemacht. Seine unverhohlene Abscheu ließ sie erahnen, dass der Mann homosexuell war, aber einer von jener Sorte, die ihre Neigung zu verbergen suchten und Frauen hassten.
    Da Graziella in einer streng katholischen Familie aufgewachsen war und seit ihrem achtzehnten Lebensjahr im Haus ihres Großonkels lebte, war ihre Toleranz für sexuelle Abweichungen eher gering. Bei Studienkollegen ignorierte sie jeden Verdacht und ging auch mit denen, die sich zu

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