sternenübersäten Himmel, wo sich die Klippe des Hangs als dunkle Kante vor dem nächtlichen Hintergrund abhob. Dann grub er seine Hände in den Felsen und zog sich nach oben.
Eser Kru nahm die Nachricht von Talons Flucht ungerührt entgegen.
Im Augenblick war der weiße Mann nichts, womit er sich beschäftigen wollte. Sobald die Prozessionen vorbei waren, würde er ihn in den Eingeweiden des Tempels aufstöbern und jagen lassen. Das Fremdartige, das diesen Mann umgab, ließ ihn in der Dunkelheit der Menschen leuchten wie ein heller Stern.
Kru packte eine der jungen Frauen beim Nacken, die am Fuß seines Throns kauerten und zwang sie, ihn anzusehen. Warum hatte dieser Trottel nur vier Frauen ausgewählt? Ihm stand das Zehnfache zu, und Eser Kru würde auf diesen Tribut, die kleinste seiner Forderungen, nicht verzichten.
Sein Blick wanderte über das dünne T-Shirt, unter dem sich die schlanken Formen der Frau deutlich abzeichneten. Diese wagte es nicht, die Augen von dem Hünen zu lassen. Mit einer kräftigen Bewegung riss er ihr den Stoff vom Körper und betrachtete sich die kleinen spitzen Brüste. Geringschätzig warf er den Fetzen weg. Es würde sich vieles ändern. Es war an der Zeit, dass die Vergangenheit wieder zur Gegenwart wurde.
Ein älterer Mann, der zu seiner namenlosen Gefolgschaft gehörte, riss Eser Kru aus seinen Gedanken und wies darauf hin, dass die Anwesenden vollständig versammelt waren. Er nickte kurz und beachtete den Mann nicht weiter. Mit kraftvollen Schritten stieg er vom Podest herab und blieb vor der Gruppe stehen, die den Saal ausfüllte.
Es waren gut zweihundert Menschen anwesend, zumeist Männer, die sich in einem Halbkreis um das Podest versammelt hatten. In regelmäßigen Abständen wurden sie flankiert von einer Gruppe Bewaffneter, die genau darauf achteten, dass keiner von ihnen eine falsche Bewegung riskierte.
Kru lächelte die Menschen kalt an. Zumeist waren es die Dorfältesten, die er neben denen, die schon zu Talons Feier anwesend waren, hatte zusammentreiben lassen. Doch er hatte auch dafür gesorgt, dass verschiedene Lokalpolitiker und Führer der örtlichen Milizen sich hier versammelten. Auf seinem Weg von Kairo nach Süden in den Dschungel hatte er begonnen, Menschen um sich zu scharen. Viele von ihnen standen unter einem Einfluss, der sie willenlos machte und seinen Anweisungen bedenkenlos folgen ließ. Doch je tiefer er in den Sudan vorgestoßen war, desto mehr Menschen erinnerten sich an lange vergessene und verdrängte Geschichten und Legenden.
Viele folgten ihm aus Furcht vor dem, was die Sagen prophezeiten. Manche jedoch folgten ihm, weil sie an ihn glaubten und sich von ihm eine Befreiung von all dem Joch erhofften, das Jahrhunderte lange Unterdrückung mit sich gebracht hatte, durch Religion oder Kolonisation.
Eser Kru verkörperte für sie das Afrika, das die Menschheit längst vergessen hatte.
Es scherte ihn nicht, ob sie ihn als eine Art Messias betrachteten. Er war aus seinem Exil befreit, in das Shion ihn vor Jahrtausenden verbannt hatte. Und nun gab es niemanden mehr, der ihn daran hindern würde, die Macht zu entfesseln, die in den schlafenden Steinen des Tempels verborgen lag …
Fortsetzung folgt in
Talon Nummer 12
„Kreaturen aus der Tiefe“
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