Taltos
Kehle.
Morrolan kämpfte gegen zwei, und ich wollte ihm zu Hilfe eilen, aber da kam jemand auf mich zu, und ich weiß nicht, wie ich ihn erledigt habe, jedenfalls wurde ich nicht verletzt.
Ich sah mich nach weiteren Gegnern um, doch es gab keine mehr; nur verletzte Tote und tote Tote, wenn ich so sagen darf. Ich überlegte, was wohl mit jenen geschah, die hier starben, wo sie schon tot waren, wie auch mit jenen, die hier starben, wo sie noch lebten.
Morrolan funkelte mich an. Ich achtete nicht auf ihn.
Statt dessen wischte ich mein Rapier sauber und steckte es weg, wobei ich versuchte, wieder zu Atem zu
kommen. Loiosh kam auf meine Schulter zurückgeflogen, und meine eigene Streitlust spiegelte sich in seinen Gedanken wider. Morrolan wollte etwas sagen, und ich 182
kam ihm zuvor: »Halt’s Maul, du Arsch. Kann ja sein, daß du diese Kämpferei gegen zig Leute für lustig hältst, aber ich will nicht auf die Probe gestellt werden. Die wollten mich umbringen. Das haben sie nicht geschafft.
Ende der Geschichte.«
Sein Gesicht wurde ganz weiß, und er kam auf mich zu. »Du lernst einfach nie dazu, oder?« Er erhob sein Schwert, bis es auf mich gerichtet war.
Ich streckte die Hand aus. »Einen Mann töten, der nicht mal bewaffnet ist? Das wäre aber nicht sehr ehrenhaft, nicht wahr?«
Er sah mich noch einen Augenblick voller Abscheu an, dann spuckte er aus. »Gehen wir«, sagte er.
Ich ließ meine diversen Waffen in den Körpern
stecken, die sie sich zum Aufenthaltsort gemacht hatten, und folgte ihm tiefer ins Land der Toten.
Hoffentlich würden die anderen Toten, denen wir begegnen mochten, friedfertiger sein.
Hin und wieder, so glaube ich, muß man auf jemand vertrauen können. Ich hätte ja Kiera genommen, aber ich wußte nicht, wo sie war. Deshalb habe ich Kragar ein bißchen Geld gegeben und ihn heimlich ein Stilett mit fünfzehn Zentimeter Klinge kaufen lassen. Er hat einen Nachmittag gebraucht und keine Fragen gestellt.
Ich wog es in der Hand und fand es gut. In meiner Wohnung habe ich es dann eine Stunde lang geschärft.
Das hätte eigentlich keine Stunde dauern dürfen, aber für gewöhnlich habe ich Schneiden für Gemüse oder Fleisch geschliffen, nicht die Messerspitze für einen Körper.
Dafür braucht man eine andere Technik. Als ich fertig war, entschloß ich mich, die Klinge mit matter schwarzer 183
Farbe zu umhüllen und den Griff dazu. Die Schneide selbst blieb so, wie sie war.
Dann war es schon Abend. Ich ging wieder zu Gruff und wies Loiosh eine Position vor dem Fenster zu. Ich selbst ging um eine Ecke und wartete dort.
»Und, Loiosh? Ist er da?«
»Ähmmmm… ja. Ich seh ihn, Boß.«
»Ist sein Freund auch dabei?«
»Ja. Und noch ein paar andere.«
»Bist du sicher, daß sie dich nicht sehen können?«
»Keine Sorge, Boß.«
»Na gut. Dann warten wir.«
Im Kopf ging ich den Plan, so wie er war, noch ein paarmal durch, dann lehnte ich mich zurück und machte mich ernsthaft ans Warten. Eine Zeitlang hielt ich mich bei Laune, indem ich mir ein paar miserable Verse ausdachte, was mich an ein Mädchen aus dem Ostreich erinnerte, Sheila, mit der ich vor einem Jahr mal ein paar Monate zusammengewesen war. Sie kam aus Süd-Adrilankha, wo die meisten Menschen wohnen, und ich nehme an, sie fand mich anziehend, weil ich Geld hatte und hart aussah. Eigentlich bin ich auch hart, wenn ich so darüber nachdenke.
Jedenfalls hat sie mir gutgetan, auch wenn es nicht lange gehalten hat. Sie wollte reich sein und zu den oberen Zehntausend gehören, außerdem war sie eine streitsüchtige Zicke. Ich hatte gerade zu lernen versucht, wie ich den Mund halte, wenn so ein Dragaeranerkerl mich angemacht hat, und dabei hat sie mir sehr geholfen, denn ich konnte sie nur ertragen, wenn ich mir auf die Zunge biß, während sie ihre hanebüchenen Meinungen über Dragaeraner oder Jhereg oder sonstwas zum besten gab. Eine Weile hatten wir viel Spaß zusammen, aber am 184
Ende hat sie ein Schiff auf eine von den Herzogsinseln genommen, wo man Menschensängerinnen gut bezahlt.
Sie hat mir gefehlt, aber nicht sehr.
An sie zu denken und an unsere sechsstündigen
Einkaufsmarathons, wenn ich Geld hatte, war ein guter Zeitvertreib. Ich bin auch die Liste mit Kosenamen durchgegangen, die wir uns eines Nachmittags
zugeworfen haben, als wir sehen wollten, wer so viel Süßholz raspeln konnte, daß dem andern schlecht wird.
Ich wurde schon richtig melancholisch, und mir kamen fast die Tränen, da sagte Loiosh:
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