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Taltos

Taltos

Titel: Taltos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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der Treibsand sei bloß eine Wahnvorstellung. Anscheinend hat das funktioniert, denn ich fühlte, wie er sich beruhigte, was wiederum mir half, und das Trugbild löste sich auf, gerade als es mir an der Unterlippe stand.
    Da blieben Morrolan und ich einen Augenblick stehen, atmeten ein paarmal tief durch und blickten einander an.
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    Wieder schüttelte er den Kopf.
    »Gibt es denn keinen Pfad zu den Hallen des Jüngsten Gerichts, der nicht voller Hindernisse ist?« wollte ich wissen.
    »In manchen Büchern stehen bessere als in anderen.«
    Ich entgegnete: »Wenn wir wieder zurück sind, klaue ich eins von den besseren und mache ein Geschäft mit Abschriften auf.«
    »Man kann keine Abschriften anfertigen«, sagte
    Morrolan. »Es gibt welche, die das versucht haben.«
    »Wie kann das denn sein? Wörter sind Wörter.«
    »Ich weiß es nicht. Gehen wir weiter.«
    Und wir gingen weiter, und zu meiner Erleichterung wählte Morrolan am nächsten grauen Stein den Pfad nach rechts. Dieses Mal war es ein wilder Keiler, der uns nichts anhaben konnte, später dann noch ein Dzur.
    Nachdem Morrolan sich für weitere Pfade entschieden hatte, kamen wir wieder an einen Stein. Er sah mich an und fragte: »Nun?«
    »Wenn’s sein muß«, meinte ich.
    Er nickte, und wir gingen links daran vorbei.

    Ich kehrte in meine Wohnung zurück, meinen Beinen ging es allmählich besser, doch meine Stimmung war auf dem Nullpunkt. Nie wieder würde ich zu Gruff gehen, beschloß ich.
    Langsam wurde ich echt wütend auf Kynn, der sich ständig meinen Fallen entzog. Ich goß mir noch einen Branntwein ein und fläzte mich in meinen
    Lieblingssessel, um nachzudenken.
    »Soviel zu dem Einfall, Loiosh.«
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    »Wir können es doch morgen nochmal versuchen.«
    »Das halten meine Beine nicht aus.«
    »Oh. Und was jetzt?«
    »Weiß nich. Laß mich mal überlegen.«
    Ich lief in meiner Wohnung auf und ab und spielte verschiedene Möglichkeiten durch. Zum Beispiel könnte ich irgendeinen Zauberspruch erwerben, etwas, das aus großer Entfernung wirkt. Aber dann gäbe es einen Mitwisser, und außerdem gibt es gegen so etwas zu viele Abwehrvarianten; schon damals hatte ich zum Beispiel einen Ring um, der die meisten Zaubersprüche gegen mich abwehrte, und er hatte weniger als einen
    Wochenlohn gekostet. Die Hexenkunst war zu sehr von Zufällen und günstigen Umständen abhängig –
    Gift? Auch das war unzuverlässig, wenn man sich nicht auskannte. Fast so, als würde man einen Stein auf den Kopf des Opfers fallen lassen: wahrscheinlich reichte er aus, aber wenn nicht, wäre die Person gewarnt und so viel schwerer umzubringen.
    Nein, das beste für mich wäre ein Schwerthieb; da wüßte ich genau, was vor sich ginge. Dafür müßte ich mich von hinten an ihn heranschleichen oder unerwartet vor ihn treten. Ich zog den Dolch aus meinem Gürtel und sah ihn mir an. Die Waffe eines Messerstechers: gute Arbeit, schwer, mit angemessen scharfer Spitze und einer Schneide, die auf etwa acht Grad geschliffen war. Ein echtes Hackmesser, das hervorragend für einen Angriff auf den Nacken geeignet war. Mein Rapier war vor allem spitz, also dafür geeignet, von unten ins Kinn und folglich ins Gehirn zu stoßen. Beides wäre gut.
    Ich steckte das Messer wieder weg, ballte die Hände zu Fäusten und lief noch ein bißchen auf und ab.
    »Ist dir was eingefallen, Boß?«
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    »Ich glaube ja. Laß mich noch eine Minute
    überlegen.«
    »Geht klar.«
    Dann, etwas später: »Also schön, Loiosh, wir machen’s narrensicher. Paß auf, du sollst folgendes erledigen…«

    An manchen Stellen waren wir augenrollende
    Wahnsinnige, an anderen hysterisch vor Gelächter.
    Weitergehen.
    Wir verhungerten, verdursteten, dabei war etwas zu essen oder zu trinken gleich neben uns, abseits des Pfades.
    Weitergehen.
    Klaffende Schlünde öffneten sich vor uns, und die Ungeheuer unserer Albträume jagten uns nach, Freunde wandten sich gegen uns, Feinde lachten uns ins Gesicht.
    Wahrscheinlich sollte ich nicht für Morrolan sprechen, aber sein angespannter Nacken, sein verbissener Ausdruck und sein fahles Gesicht sprachen Bände.
    Weitergehen. Wenn du stehenbleibst, kommst du nie wieder raus. Wenn du vom Pfad abweichst, verirrst du dich. Lauf gegen den Wind an, durch den Schneesturm, in den Erdrutsch. Weitergehen.
    Pfade kreuz und quer, Morrolan, der auswählte, mit zusammengebissenen Zähnen, weiter und weiter.
    Stunden? Minuten? Jahre? Ich habe keine Ahnung. Und das trotz der Tatsache, daß wir

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