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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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gewahr, drehte sich um und erblickte Tobin umrahmt von der Helligkeit der Tür. »Da bist du ja!«, rief er erleichtert aus.»Dann muss es dir wohl besser gehen.«
    Tobin nickte und lief raschen Schrittes in den Ankleideraum, wobei er Ki bedeutete, ihm zu folgen.
    »Wie geht es dir? Du siehst immer noch blass aus?«
    Tobin schwieg und erklomm den alten Schrank, der im Ankleideraum stand.
    »Was machst du da?« Ki fand, dass sich Tobin eigenartig benahm. Vielleicht war er doch wirklich schlimm krank. Sogar die Art, wie er sich bewegte, schien merkwürdig, wenngleich Ki nicht genau zu sagen vermochte, inwiefern.
    »Tob, was ist denn? Was suchst du denn dort oben?«
    Tobin drehte sich herum und ließ einen schmutzigen Stoffbeutel in Kis Hände fallen. Durch die Bewegung blickten sie einander zum ersten Mal unmittelbar an, seit Ki ins Zimmer zurückgekehrt war.
    Ki starrte ins schwarze, durchdringende Augen und begann zu zittern. Dies war nicht Tobin.
    »Bruder?«
    Binnen eines Lidschlags stand sein Gegenüber wenige Fingerbreit vor ihm. Das Antlitz des Geistes erinnerte ihn an eine Maske – es war, als hätte ein tollpatschiger Schnitzer versucht, Tobins Gesicht nachzubilden, dabei jedoch die Güte und Wärme darin vergessen. Plötzlich musste Ki an seine tote Mutter denken, die vor all den Jahren gefroren auf dem Heuboden gelegen hatte; er hatte die Decke zurückgezogen, ihr ins Gesicht geblickt und vergeblich nach der Liebe darin gesucht, die er gekannt hatte. Nun war es dasselbe – er suchte im Gesicht des Dämons nach Tobin.
    Trotz seiner Furcht fand er die Stimme wieder. »Bist du Bruder?«
    Der Geist nickte, und etwas, das ein Lächeln sein mochte, verzog seine schmalen Lippen. Die Wirkung fühlte sich nicht besonders angenehm an.
    »Wo ist Tobin?«
    Bruder deutete auf den Beutel. Sein Mund bewegte sich nicht, dennoch vernahm Ki ein leises Flüstern gleich dem Wind, der über einen zu Eis erstarrten See bläst. Er geht zu Lhel. Bring das rasch zu ihm!
    Damit verschwand Bruder und ließ Ki in den länger werdenden Schatten mit einem schmutzigen Stoffsack zurück, der nicht leer war.
    Lhel? Tobin war nach Hause aufgebrochen? Aber warum? Und wieso ohne ihn? Kis Hand suchte das geschnitzte Pferd um seinen Hals, während er die verletzten Gefühle zurückdrängte, die mit solchen Fragen aufkamen. Wenn Tobin ohne ihn gegangen war, dann stimmte etwas ganz und gar nicht, und wenn dem so war, dann war Kis Platz an seiner Seite.
    Aber er ist ohne mich aufgebrochen, dachte er. Tharin. Ich sollte es Tharin sagen, vielleicht sogar Porion …
    Nein!
    Ki zuckte zusammen, als Bruder ihn aus den Schatten neben dem Durchgang anzischte. Es musste ein Zeichen sein, dass er Bruder endlich sehen konnte. Tobin musste in wahrhaft großer Gefahr schweben, wenn der Geist ihm nun erschien. Ki fand, dass er besser tun sollte, was Bruder verlangte.
    Zumindest dabei war ihm das Glück hold. In den Stunden zwischen ihren Pflichten und dem Abendessen stand es den Jungen frei zu tun, was sie wollten. Niemand würde auch nur einen zweiten Blick auf einen Knappen werfen, der vom Palast zu den Stallungen ging und die Ausrüstung seines Herrn zur Wartung brachte.
    Er nahm nur ihre Schwerter und den geheimnisvollen Beutel mit und setzte sich in Richtung der Ställe in Bewegung. Dort wurden seine Befürchtungen bestätigt. Gosi war verschwunden. Wenn Tobin beritten aufgebrochen war, bestand keine Hoffnung, ihn noch einzuholen. Er konnte ihm nur folgen.
    »Du hättest dich ruhig ein bisschen früher zeigen können«, murmelte er, als er Drache sattelte, und hoffte, dass sich Bruder nah genug aufhielt, um ihn zu hören.
     
    Der Vorwand, dass er als Knappe Besorgungen in der Stadt zu erledigen habe, genügte den Wachen des Palatinkreises, und ein weiterer brachte ihn an jenen am Hafentor vorbei. Die Nacht brach rasch herein, und inzwischen war kein Anzeichen mehr zu erkennen, dass Bruder gedachte, ihn zu führen. Dafür schien der Mond hell genug, um den Weg zu erleuchten. Er schwenkte Drache gen Westen herum, trat das stichelhaarige Pferd in einen Galopp entlang der Landstraße und betete zu Astellus, er möge die Hufe des Tieres wohlbehalten durch die Dunkelheit geleiten.
    Nachts traf er auf den Straßen nur wenige Reiter an, noch weniger, die zierlich genug wirkten, um Tobin zu sein, dennoch starrte Ki eindringlich jeden Fremden an, den er überholte.
    Gegen Mitternacht hielt er an, um Drache an einem Bach ausruhen zu lassen. Erst da kam ihm der

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