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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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seine Hose und zog sie hinab. Am Übergang zwischen den beiden Hosenbeinen entdeckte er einen kleinen, nassen Fleck. Verwirrt starrte er darauf. Er war sicher, sich nicht benässt zu haben.
    Bruder war bei ihm und starrte ihn an.
    »Geh weg«, flüsterte Tobin mit matter, zittriger Stimme, doch Bruder blieb. »Fleisch, mein Fleisch …«
    Er verstummte, da ihm Angst die Kehle zuschnürte, als er die Lage des Flecks abschätzte. Mit bebenden Fingern griff er hinab, tastete unter seinen Schritt, der im Vergleich zu jenem der anderen Gefährten immer noch so klein und unbehaart war. An der runzligen Unterseite der Hosen, spürte er etwas Klebriges und Nasses auf der Haut. Erschrocken starrte er auf seine Finger; selbst im trüben Licht hinter den Vorhängen konnte er erkennen, dass es sich um Blut handelte. Er konnte vor Furcht kaum atmen, als er abermals hinabgriff und verzweifelt nach einer wunden Stelle oder Verletzung tastete.
    Die Haut erwies sich als unversehrt. Das Blut drang durch sie hindurch wie Tau.
    »Oh, ihr Götter!« Plötzlich wusste er, was es war.
    Die Pest. Der Rote und Schwarze Tod.
    All der Mummenschanz, den er an Straßenecken gesehen hatte, und all die Geschichten, die sich die Jungen am Kaminfeuer erzählten, fielen ihm ein. Zuerst blutete man durch die Haut, dann schwollen unter den Armen und im Schritt riesige schwarze Wundstellen an. Am Ende war man so durstig, dass man in die Gosse kroch, um Schmutzwasser zu trinken, bevor man starb und dabei das Blut erbrach, das man noch im Leibe hatte.
    Im Gefolge dieser Gedanken tauchten wieder Lhels Worte auf. Du siehst Blut, du kommst her zu mir. Offenbar war es doch eine Vision gewesen.
    »Was soll ich nur tun?«, flüsterte er Bruder zu. Doch er wusste es bereits.
    Sag es niemand. Du deinen Freund liebst, du ihm nichts sagst, hatte Lhel ihn gewarnt.
    Er durfte es Ki nicht sagen. Auch Tharin nicht. Oder sonst jemandem, den er liebte. Sie würden ihm helfen wollten und sich selbst anstecken.
    Tobin betrachtete das Bett, das er und Ki geteilt hatten. Ob er seinen Freund bereits krank gemacht hatte?
    Du deinen Freund liebst, du ihm nichts sagst.
    Tobin schnürte seine Hose zu und kletterte aus dem Bett. Ki würde ihn niemals alleine gehen lassen. Auch Fürst Orun, Porion oder Tharin würden es ihm verbieten. Er fand seinen Rock und streifte ihn über, bevor heiß lodernde Finger abermals durch seinen Bauch schabten, ihn mit den Zähnen knirschen und sich krümmen ließen. Das Siegel und der Ring klirrten unter dem Hemd an seiner Brust gegeneinander. Tobin zog sie hervor, umklammerte sie wie Talismane und fühlte sich sehr alleine. Er musste zu Lhel reisen.
    Als die Schmerzen nachließen, ging er in den Ankleideraum und gürtete sich die Klinge seines Vaters um. Jetzt, wo ich sterbe, bin ich fast groß genug, um sie zu tragen, dachte er verbittert, dann will ich wenigstens damit verbrannt werden. Es ist ohnehin niemand übrig, an den ich sie weiterreichen könnte.
    Draußen auf dem Flur hörte er Bedienstete reden; auf diesem Weg gab es keine Möglichkeit, ungesehen zu fliehen. Er warf einen alten Mantel über, kniete sich hin und betastete den Durchgang, der in das Gemach seines Vetters führte. Wie Korin gesagt hatte, konnte Tobin ihn von dieser Seite aus nicht öffnen. Bruder hingegen sehr wohl, und er tat es auch.
    Korins Zimmer ähnelte dem seinen, allerdings waren die Behänge üppiger und in Rot- und Goldtönen gehalten. Außerdem besaß sein Raum eine Treppe, die vom Palast in die Gärten hinabführte. Tobin nutzte sie, um ungesehen zu entkommen.
     
    Wie Ki befürchtet hatte, ließ Porion ihn den halben Nachmittag üben. Als er endlich in ihr Zimmer zurückkehrte, streckten sich bereits die Schatten der dünnen Kiefern durch die Fenster herein.
    »Tobin, wie geht es dir?«
    Er erhielt keine Antwort. Ki ging zum Bett und zog einen der schweren Vorhänge zurück, da er glaubte, sein Freund müsse noch schlafen, doch stattdessen fand er das Bett leer vor.
    Verwirrt sah sich Ki im Raum um. Er erblickte das abgelegte Wams; Tobins Schwert und Bogen hingen noch über dem geschnitzten Gestell, wo er beides verstaut hatte. Es gab ein Dutzend Orte, an denen sich sein Freund aufhalten konnte, und unter gewöhnlichen Umständen hätte sich Ki damit begnügt, zu warten, bis er auftauchte oder bis sie sich beim Abendessen begegneten, aber Tobins plötzliche Krankheit bereitete ihm Unbehagen.
    In jenem Augenblick wurde er des Schabens von Füßen auf dem Balkon

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