Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
ist nur ohnmächtig.« Iya nahm das Heft in die Hand, schob Arkoniel und die Priester beiseite und kniete nieder, um eine Hand auf die klamme Stirn des Mädchens zu legen.
»Das ist ein gutes Zeichen«, meinte Ralinus zu den anderen und versuchte, sie zu beruhigen. »Um so überwältigt zu sein, muss sie eine bedeutsame Vision erfahren haben.«
Zuckend öffnete Tamír die Augenlider und schaute zu Iya empor. Ein eisiger Schauder durchzuckte die Zauberin; im Mondlicht wirkten die Augen so schwarz wie die des Dämons, und genauso anklagend. Tamír schob Iyas Hand von sich und löste sich aus Kis Armen, um sich aufzusetzen.
»Was … ist geschehen?«, fragte sie mit brüchiger Flüsterstimme. Dann schaute sie zum Brunnen und begann, unbeherrschbar zu zittern. »Bruder! Ich habe gesehen, wie …«
»Tragt eure Königin in ihre Unterkunft«, befahl Iya.
»Ich brauche niemanden, der mich trägt!« Tamír bedachte Iya mit einem düsteren Blick, als sie sich unstet auf die Beine kämpfte. »Ich muss noch einmal hinunter. Irgendetwas ist schiefgelaufen. Ich konnte nicht verstehen, was der Lichtträger mir gezeigt hat.«
»Habt Geduld, Majestät«, riet der Priester. »Mag die Vision anfangs auch unklar erscheinen, ich versichere Euch, was immer Euch gezeigt wurde, es ist wahr. Ihr müsst darüber sinnieren, und zu gegebener Zeit werdet Ihr die Bedeutung verstehen.«
»Zu gegebener Zeit? Verdammt, Iya, hast du gewusst, dass so etwas geschehen würde? Warum hast du mich nicht gewarnt?« Sie richtete einen vorwurfsvollen Blick auf Arkoniel. »Oder du?«
»Jeder erlebt das Orakel auf seine eigene Weise. Wir konnten das Wagnis nicht eingehen, deine Erfahrung zu beeinflussen.«
»Lass dir von deinen Freunden in die Unterkunft helfen«, mahnte Iya sie streng. »Wir können nicht gebrauchen, dass du stürzt und dir in der Dunkelheit den Schädel brichst.«
Tamír öffnete den Mund, um aufzubegehren, aber Ki ging dazwischen und schlang einen Arm um ihre Mitte. »Beruhige dich und hör auf, so verflucht stur zu sein!«
Tamír holte tief Luft, dann ließ sie sich von ihm widerwillig zurück zum Gästehaus helfen.
Er ist der Einzige, der sie so umzustimmen vermag, dachte Iya. Der Einzige, dem sie so sehr vertraut. Aus dem Blick, mit dem sie Iya bedacht hatte, sprach etwas völlig anderes.
Im Gästehaus jedoch gelang es nicht einmal Ki, sie zu überreden, sich zu Bett zu begeben. »Ralinus, ich muss sofort mit Euch sprechen, solange mir die Vision noch frisch im Gedächtnis ist.«
»Wie Ihr wünscht, Majestät. Der Tempel ist nebenan …«
»Iya, du und Arkoniel wartet auf mich«, befahl sie. »Wir unterhalten uns später.«
Die Schärfe ihres Tonfalls überraschte Iya ebenso sehr wie der düstere Blick. Sie legte die Hand aufs Herz und verneigte sich. »Wie Ihr wünscht, Majestät.«
»Ki, komm mit.« Damit setzte sich Tamír in Bewegung. Ralinus und Ki eilten hinter ihr her.
Arkoniel sah ihr eine Weile nach, dann wandte er sich mit besorgter Miene Iya zu. »Sie weiß es, oder?«
»Wenn es Illiors Wille ist.« Langsam betrat Iya das Gästehaus, ohne auf die verwirrten Blicke der jungen Priester und Gefährten zu achten, die den Wortwechsel bezeugt hatten.
Ich habe bisher Wort gehalten, Lichtträger, und ich werde es auch weiterhin tun.
Der Tempel Illiors erwies sich als kleine, in die Felswand gehauene Kammer mit niedriger Decke. Das Innere war feuchtkalt und wurde von einem einzelnen Kohlenbecken spärlich erhellt, das vor einer großen, bemalten Schnitzerei des Auges Illiors stand.
Die Wände, zumindest das, was Ki davon sehen konnte, waren von Rauch geschwärzt. »Bist du sicher, dass du mich dabei haben willst?«, fragte er leise und beobachtete, wie Ralinus eine glatte Silbermaske anlegte.
Tamír nickte bedächtig, die Augen auf den Priester geheftet.
»Aber wäre es nicht besser, wenn wir auch die Zauberer hier hätten? Ich meine, die kennen sich mit so etwas aus.«
Darob verhärtete sich ihr Blick. »Nein. Jetzt nicht.«
Ralinus kniete sich vor das Kohlenbecken und bedeutete Tamír, sich ihm dort anzuschließen. »Was habt Ihr gesehen, Tochter des Thelátimos?«
Ki stand betreten daneben, während Tamír stockend schilderte, was das Orakel ihr gezeigt hatte.
»Sie hat gesagt, ich müsse das Schwert aus der Hand des Thronräubers nehmen«, erklärte Tamír, aus deren Augen Sorge sprach. »Das bedeutet Krieg mit Korin, nicht wahr? Sie wollte mir zeigen, dass es keinen friedlichen Weg gibt, diese
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