Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Legende aus, dass Ihr einen Schutzgeist habt.«
»Einen Dämon«, berichtigte ihn Ki.
Der Priester, der die Maske mittlerweile abgenommen hatte, sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Und was hätte das Volk davon zu denken, seine Königin sei verflucht? Lasst die Menschen Eure Geschichte für Euch spinnen, Tamír.«
Sie ließ Kis Hand los und erhob sich. »Danke, Ehrwürdiger. Ihr habt mir geholfen, klarer zu sehen.«
»Es ist Brauch, das der Hohepriester eine Vision auf einer Schriftrolle festhält, auf dass Ihr sie mitnehmen könnt. Ich werde Sie morgen Früh für Euch bereit haben.«
Als Ki mit Tamír hinaus auf den Platz trat, spürte er, dass sie nach wie vor zutiefst besorgt war. Eine Weile stand sie gedankenverloren neben dem Brunnen. Ki wartete stumm, die Arme ob der Kälte um sich geschlungen. Die Sterne funkelten so hell, dass sie Schatten auf den Boden warfen.
»Was hältst du davon?«, fragte sie schließlich.
»Ein würdiger Krieger kennt den Unterschied zwischen gut und böse, zwischen Ehre und Unehre.« Er trat näher und legte ihr sanft die Hände auf die Schultern. Sie schaute nicht auf, wich aber auch nicht zurück. »Du bist der freundlichste, ehrenwerteste Mensch, den ich kenne. Wenn Korin zu blind ist, um das zu sehen, dann liegt es an seiner Schwäche, die sich wieder mal zeigt. Wenn du Skala verkörperst, ist das gut für alle.«
Seufzend legte sie die Hand auf eine der seinen. Ihre Finger fühlten sich sehr kalt an.
Ki löste die Brosche an seinem Hals und schlang ihr seinen Mantel um die Schultern.
Tamír bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln. »Du bist genauso schlimm wie Nari.«
»Sie ist nicht hier, also liegt es an mir, dich zu umsorgen.« Er rieb ihre Hände, um sie zu wärmen. »So, schon besser.«
Sie löste sich von ihm und stand einfach mit zu Boden gerichteten Augen da. »Du … ich meine … ich weiß zu schätzen …« Stockend verstummte sie, und er vermutete, dass sie errötete.
In den vergangenen Monaten hatte es so viele solcher Augenblicke plötzlicher Scheu zwischen ihnen gegeben. Sie brauchte ihn. Ohne sich darum zu kümmern, wer sie beobachten könnte, zog Ki sie in eine Umarmung.
Ihre Wange fühlte sich kalt und glatt an der seinen an. Er drückte sie fester und wünschte, er könnte ihr seine Wärme schenken. Es fühlte sich gut an, seine Freundin wieder so zu halten. Ihr Haar war weicher, als er es in Erinnerung hatte.
Tamír seufzte und schlang die Arme um seine Mitte. Sein Herz schwoll an, und Tränen brannten ihm in den Augen. Schwer schluckend flüsterte er: »Ich werde immer für dich da sein, Tob.«
Er hatte seinen Fehler noch kaum bemerkt, da riss sie sich schon von ihm los und stapfte zurück zum Gästehaus.
»Tamír! Tamír, es tut mir leid. Ich hatte es vergessen. Das hat nichts zu bedeuten. Komm zurück!«
Die Tür schwang geräuschvoll hinter ihr zu. Ki blieb allein im kalten Sternenlicht zurück. Verwirrt von Gefühlen, die geltend zu machen er nicht bereit war, schalt er sich etliche Male einen Narren.
Ein unheilvolles Gefühl lastete auf Arkoniels Herz, während er und Iya wartend in Tamírs kleinem Zimmer saßen. Iya wollte nichts sagen, und so blieb er seiner unglückseligen Vorstellungskraft ausgeliefert.
Als Tamír endlich hereinkam, ließ die Miene in ihrem Gesicht seinen Mut zusätzlich sinken. Tamír schaute zu Iya, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und heftete einen harten Blick auf Arkoniel. »Ich will, dass du mir sagst, was meinem Bruder wirklich widerfahren ist. Wodurch ist er so geworden, wie er ist?«
Da war sie nun, die Frage, vor der er sich so lange gefürchtet hatte. Noch bevor Arkoniel den Mund öffnete, spürte er, wie das zerbrechliche neue Vertrauen zwischen ihnen wie zerschlissene Seide riss. Wie konnte er ihr gegenüber rechtfertigen, was er im Namen des Lichtträgers getan hatte, wenn er sich in seinem Herzen nicht einmal selbst verziehen hatte, welche Mitschuld er an ihrem Elend trug?
Ehe er die richtigen Worte fand, umschloss sie eine feuchte Kälte. Bruder erschien an Tamírs Seite und funkelte Iya hasserfüllt an. Der Dämon sah sehr ähnlich aus wie die anderen wenigen Male, als Arkoniel ihn gesehen hatte – ein dürrer, böser, gespensterartiger Abklatsch von Tobin, mittlerweile zu einem jungen Mann herangewachsen. Nun ähnelten sie sich deutlich weniger, was Arkoniel auf seltsame Weise tröstlich fand, wenngleich der Zorn in jenen Augen sie wieder unbestreitbar zu Geschwistern
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