Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Nik mitkommt, und Tanil auch. Er ist in dem Lager, das wir gestern überrannt haben.«
»Selbstverständlich.«
»Und wir sollten aus der königlichen Bibliothek und den Archiven retten, was wir können, bevor das Feuer sie verschlingt.«
»Dafür wird bereits Sorge getragen«, versicherte ihr Arkoniel. »Tharin hat außerdem an der Königlichen Gruft Wachen aufgestellt, aber ich fürchte, dort wurde geplündert.«
»Anscheinend obliegt es mir andauernd, mich um die Toten zu kümmern.« Tamír erhob sich und trat auf den breiten Balkon hinaus, der die Palastgärten und die Stadt dahinter überblickte. Ki und Arkoniel folgten ihr.
Dieser Teil des Alten Palast war von der Zerstörung draußen nahezu unberührt geblieben. Schneeglöckchen und Beete weißer Narzissen schimmerten im schwindenden Tageslicht. Jenseits der Mauern hing dichter Rauch über der Stadt, von unten durch Flammen erhellt.
Tamír schaute zum rot getünchten Himmel auf. »Eines der letzten Dinge, die mein Onkel zu mir gesagt hat, bevor wir nach Atyion aufbrachen, war, dass Skala verloren sei, wenn Ero unterginge. Was meinst du, Arkoniel? Hatte er Recht? Sind wir zu spät gekommen?«
»Nein. Gewiss, es war ein entsetzlicher Schlag, aber Ero ist nur eine Stadt von vielen. Skala ist überall dort, wo du bist. Die Königin verkörpert das Land. Mir ist bewusst, dass dir die Lage im Augenblick düster erscheinen muss, aber Geburten sind selten einfach und gehen niemals sauber vonstatten. Ruh dich ein wenig aus, bevor wir losreiten. Oh, und Iya hat mit einigen der Frauen in deiner Garde gesprochen. Ahra oder Una können heute Nacht bei dir bleiben.«
»Mein Knappe ist nach wie vor Ki.«
Der Zauberer zögerte, ehe er leise meinte: »Ich finde das nicht ratsam, du etwa?«
Tamír wirbelte zu ihm herum; aufgestaute Wut loderte in ihren dunklen Augen. Sogar Ki wich bei dem Anblick einen Schritt zurück.
»Es ist ratsam, weil ich sage , dass es ratsam ist! Betrachte es als meine erste offizielle Bekanntmachung als deine künftige Königin. Oder soll ich doch bloß die Marionette eines Zauberers sein wie mein Onkel?«
Arkoniel wirkte betroffen, als er eine Hand ans Herz drückte und sich verneigte. »Nein, niemals. Das schwöre ich bei meinem Leben.«
»Ich werde mir diese Worte merken«, herrschte Tamír ihn an. »Und du merk dir das: Ich nehme meine Pflicht gegenüber Skala, den Göttern, meiner Abstammung und meinem Volk an. Aber ich warne dich …« Ein Beben schlich sich in ihre Stimme. »Leg dich in dieser Angelegenheit nicht mit mir an. Ki bleibt bei mir. Und jetzt – geh!«
»Wie Ihr wünscht, Hoheit.« Rasch zog sich der Zauberer zurück, allerdings nicht ohne einen traurigen Blick in Kis Richtung zu werfen.
Ki gab vor, ihn nicht zu bemerken. Du hast sie hierher gebracht. Jetzt kannst du ruhig zusammen mit dem Rest von uns die Folgen erleiden!
»Prinz Tobin?« Baldus stand an der Tür und rieb sich die Augen. Tamírs Kammerdiener Molay hatte den Jungen während des letzten Angriffs in einer Truhe versteckt. Als Tamír und Ki ihn später gefunden hatten, war er zu erschöpft und verängstigt gewesen, um die Veränderung zu bemerken. Verwirrt sah er sich um. »Wo ist die Prinzessin, von der Ihr geredet habt, Fürst Ki?«
Tamír ging auf den Jungen zu und ergriff seine Hand. »Sieh mich an, Baldus. Sieh genau her.«
Seine braunen Augen weiteten sich. »Hoheit! Seid Ihr verhext?«
»Das war ich. Jetzt bin ich es nicht mehr.«
Unsicher nickte Baldus. »Eine verzauberte Prinzessin wie in den Geschichten der Barden?«
Tamír rang sich ein gequältes Lächeln ab. »So ähnlich. Wir müssen dich an einen sicheren Ort bringen.«
Mit zitterndem Kinn sank der Junge auf die Knie, ergriff ihre Hand und küsste sie. »Ich werde Euch immer dienen, Prinzessin Tobin. Bitte, schickt mich nicht weg!«
»Natürlich nicht, wenn du bleiben möchtest.« Tamír zog ihn auf die Beine und umarmte ihn. »Ich kann jeden getreuen Mann gebrauchen, den ich finde. Aber du musst mich von jetzt an Prinzessin Tamír nennen.«
»Ja, Prinzessin Tamír.« Der Junge umklammerte sie. »Wo ist Molay?«
»Ich weiß es nicht.«
Ki bezweifelte, dass sie ihn diesseits von Bilairys Tor wiedersehen würden. »Schlaf ein wenig, Tamír. Ich halte Wache.« Zu seiner Überraschung begehrte sie nicht dagegen auf. Stattdessen streckte sie sich neben Nikides auf der kahlen Matratze aus, drehte sich zur Seite und ergab sich letztlich ihrer Erschöpfung.
Ki zog sich einen Stuhl
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