Tango Mosel
nicht passiert. Ich weiß nicht einmal mehr, was wir zusammen im Bad gemacht haben.« Er führte sie zu ihrem Stuhl und rückte ihn galant zurecht, als sie sich setzte.
»Du hattest Geburtstag, du warst gut gelaunt und frisch geduscht.«
»Ich hab bei dir geduscht?«
»Ich hatte schließlich auch Geburtstag, und wir waren nass.«
»Wir beide?« Martin warf einen kurzen Blick zu den beiden Frauen, die immer noch allein am Tisch saßen und wahrscheinlich nur so taten, als würden sie ihrem Gespräch nicht lauschen. »Das wird es gewesen sein.«
»Ich hätte nichts dagegen, es noch mal zu versuchen.«
»Ich verspreche, beim Ocho rückwärts vorsichtiger zu sein.« Er konnte nicht anders, als in ihr Lachen einzustimmen.
Nebenan hörte sie Corinna sagen: »Ich kenn sie, wenn die sich in den Kopf gesetzt hat, nicht mehr darüber zu reden, dann zieht die das auch durch.«
Auf der Toilette versicherte sich Gabi, dass die beiden Kabinen nicht besetzt waren. Nachdem sie sich hingehockt hatte, rief sie Walde an.
»Lässt sich heute hier keiner von den alten Treverern blicken?«, sprach Uli den Wirt an, als er wieder zur Theke zurückkam.
»Gestern hatten die Stammtisch. Den gibt’s immer nur einmal im Monat. Es war etwas mehr los als sonst«, sagte der Wirt. »Aber trotzdem nur um die zehn Leute. Einige hat die Neugierde hergetrieben, weil sie sehen wollten, wie es nebenan«, er deutete zur Tür, in Richtung des Geländes der Baustelle, »mit der City-Passage vorangeht.«
»Von der Treverer ist nicht mal mehr was von den Kellern übrig geblieben.«
»Was jetzt noch zu sehen ist, soll Flusssand sein. Seltsam, wenn man sich vorstellt, dass hier mal vor ein paar Tausend Jahren die Mosel geflossen sein soll.« Der Wirt zapfte Bier in zwei frische Gläser. »Aber alles Lamentieren bringt nichts. Ich schaue nach vorn. Am besten wäre das Einkaufszentrum schon fertig. Ich hab Tagesessen für die Baustellenarbeiter angeboten. Aber die sparen jeden Cent und schlingen stattdessen abends ihren Dosenfraß runter, auf dem Seelenverkäufer da unten auf der Mosel.«
»Seelenverkäufer«, murmelte Uli, »muss ich mir merken.«
»Du schreibst doch nicht darüber?«, fragte Walde, der gleichzeitig überlegte, dass in die neue City-Passage neben den neuen Geschäften auch neue Gastronomie einziehen würde und der Wirt es dann noch schwerer als jetzt haben würde.
»Erst mal nicht. Die Leute wollen nichts mehr von dem Kram wissen. Es gibt genügend andere Aufreger in der Stadt.«
Waldes Mobiltelefon klingelte.
Gabi fragte: »Kannst du was mit den Vornamen Corinna und Susanne anfangen?«
»Moment«, antwortete Walde. »Der Empfang ist hier drin schlecht, ich gehe mal vor die Tür.«
Draußen ließ sich Walde die Namen wiederholen.
»Die Geschäftsführerin der Trading Invest heißt Susanne Hörmann …« Er trat an den Bauzaun und schaute über das Dunkel der Baustelle zu den erleuchteten Schaufenstern der Fleischstraße.
»Und Corinna?«, fragte Gabi.
»Sagt mir auf Anhieb nichts.«
»Und Martin?«
»Auch nicht.«
»Da war noch ein Mann, blond, nach hinten gekämmt, etwas dünner werdend, ich meine die Haare, schätze ihn so um die dreißig. Wer kann das sein?«
»Die Beschreibung sagt mir nichts«, antwortete Walde. »Du hörst dich gut gelaunt an.«
»Das ist bei mir häufiger so.«
»Gabi, sag mal, wo bist …« Sie hatte schon aufgelegt.
Auf dem Weg zurück zu seinem Platz blieb Walde an der Musikbox stehen und studierte die Titelliste. Gleich, nachdem er sie entdeckt hatte, drückte er Roxanne und Smoke On The Water. Und weil er für einen Euro fünf Titel wählen durfte und ihm sonst nichts gefiel, drückte er die beiden noch einmal und ließ für den fünften den Zeigefinger suchend über die Nummern gleiten.
Die Kneipentür ging auf. Ein alter Mann in nasser Regenkleidung schlurfte zur Garderobe. Mit routiniert wirkenden Bewegungen hängte er einen großen Ring mit allerlei Schlüsseln an einen der Haken, steckte sich eine Stablampe zwischen die Oberschenkel und zog sich den nassen Regenponcho über den Kopf. Anschließend strich er sich mit beiden Händen das weiße Haar glatt.
Als Walde wieder neben Uli Platz nahm, hatte der Wirt bereits einen Schnaps ausgeschenkt und auf die Theke gestellt. Der späte Gast legte den Schlüsselbund und die große Taschenlampe neben das Glas und kippte in einem Zug den Schnaps hinunter.
»Der hat gutgetan«, sagte er zum Wirt und nickte dankend, als ein großes
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