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Tango Mosel

Tango Mosel

Titel: Tango Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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bärtige Wirt schaute kurz von der Ansammlung von mehr oder weniger schaumigen Biergläsern auf, in die er stoßweise nachzapfte.
    Gabi bestellte den gleichen Wein wie beim letzten Mal. Sie beschloss, die Kopfschmerzen von gestern auf den Kir zurückzuführen.
    Die Kellnerin hatte das Essen serviert und schob nun ein leeres Tablett über den Tresen, auf das der Wirt emsig volle Biergläser packte.
    »Wann geht’s denn drüben los?«, fragte Gabi.
    Martin Kotte kam durch die Eingangstür. Nach wenigen Schritten blieb er stehen, nahm die Brille ab, öffnete seinen Trenchcoat und wischte die Brillengläser am Revers seiner Jacke ab. Als er sie wieder aufsetzte, erkannte er Gabi an der Theke. Er trug auch heute eine Fliege, nur diesmal hatte sie eine normale Größe und war auch längst nicht so knallig wie die von vorgestern Abend.
     
    Martin bot Gabi ganz förmlich seinen Arm, um sie in den Nebenraum zu führen, wo sich erst wenige Gäste befanden. Er blieb beim Tisch stehen, an dem zwei Frauen in schickem Outfit, beide in Röcken, und ein blonder Mann, der ein schwarzes T-Shirt unter einem teuer aussehenden hellgrauen Anzug trug, saßen. Gabi schätzte den Mann auf um die dreißig, obwohl sein nach hinten gegeltes Haar bereits an den Schläfen zurückwich.
    »Darf ich bekannt machen: Corinna«, Martin wies auf die Ältere. »Susanne. Das ist Gabi, ihr habt euch vielleicht schon vorgestern auf meiner Feier gesehen.« Den blonden Mann ignorierte er.
    Gabi stellte ihr noch fast volles Weinglas, das sie von der Theke mitgebracht hatte, auf dem Nachbartisch ab und hängte ihre Handtasche über die Stuhllehne, wobei der Inhalt einen leicht klirrenden Ton produzierte. Dann reichte sie lächelnd den drei Leuten die Hand, während sie in Gedanken die beiden Namen wiederholte, und setzte sich zu Martin an den direkt daneben stehenden Tisch.
    »Was macht dein Kopf?«, flüsterte sie ihm zu.
    Von nebenan hörte sie, wie ein Mann, der ein eng tailliertes Hemd trug, sagte: »Auch das wird noch geregelt.«
    »Es geht schon wieder, musste auch nicht genäht werden.« Martin fuhr sich mit der Hand an den Hinterkopf.
    »Du warst im Krankenhaus?«
    Eine weibliche Stimme, Gabi vermied es, zum Nachbartisch zu sehen und konnte deshalb nicht feststellen, ob es Corinna oder Susanne war, sagte: »Wenn damit die Geschichte endlich beendet ist, gerne.«
    »Nein, bei einem Arzt.« Gabis Gesprächspartner hatte zwei Fingerspitzen auf den Hinterkopf gelegt.
    »Mitten in der Nacht? Ich weiß gar nicht, was du machst.« Sie hatte ihn bewusst nicht nach seinem Beruf gefragt, um den dann unweigerlich folgenden Fragen nach dem, was sie selbst beruflich machte, zu entgehen.
    »Ich bin Psychotherapeut.« Er musste seine Stimme heben, weil die Musik lauter wurde.
    Gabi zählte die Takte und führte im Geist die Schritte aus. Inzwischen waren weitere Besucher gekommen. Die ersten Paare tanzten bereits.
    »Darf ich mal die Stelle sehen?«, fragte sie.
    »Es gibt nicht viel zu sehen, da sind Haare drüber.« Er drehte ihr den Hinterkopf zu und wandte das Gesicht zur Decke.
    Am Nebentisch stand der junge Mann auf und ging zur Tür.
    »Oh, du hast ja zwei Wirbel«, sagte Gabi, als sie Martin vorsichtig über die Haare fuhr.
    »In meiner Kindheit der Albtraum der Rendsburger Friseure, inzwischen betrachten sie es als Herausforderung, so ändert sich die … Vorsicht!« Er zuckte zurück, als Gabi die Verletzung berührte.
    »Wo liegt Rendsburg?«
    »In Norddeutschland, nicht weit von der See. Sollen wir?«, forderte Martin sie zum Tanz auf.
    Sie sah, dass die anderen Tänzer den Tango recht gut beherrschten.
    »Was machst du eigentlich beruflich?« Er fasste sie unter.
    »Ich sitze meistens am Schreibtisch, manchmal darf ich auch unterwegs sein.«
    Sie beobachtete, wie die beiden am Tisch zurück gebliebenen Frauen miteinander tuschelten.
     
    In Höhe des Hochwasserdamms begann es leicht zu regnen. Walde ließ Quintus von der Leine, spannte den Schirm auf und blickte zur Neptun, auf der kein Licht mehr brannte, obwohl es erst kurz nach zweiundzwanzig Uhr war. Dann sah er doch noch ein schwaches Leuchten in den kleinen Bullaugen am Bug. Oder war es eine Spiegelung vom Ufer? Er hatte keine Zeit, dem nachzugehen. Quintus war bereits weit vorgelaufen. Flussaufwärts beschleunigte Walde seine Schritte. Nach einer Weile kam ihm Quintus mit einem gewundenen Stück Treibholz im Maul entgegen. Walde nahm es ihm ab, aber es war zu schwer und sperrig, um es zum

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