Tango Mosel
Wolken hielten zwar das Wasser, aber das Gras war nass.
Die Wildschweine waren noch hungrig und kamen gemächlichen Schrittes zum Zaun, als Annika kleinere Brotstücke durch die Maschen warf. Die größeren warf sie auf die Erde und versuchte, sie mit den Stiefeln zu zertreten.
Quintus blieb erstaunlich ruhig. Wenn Walde mit ihm allein unterwegs war, zog er gleich mächtig an der Leine. Sobald Annika dabei war, übte er sich in Geduld. Der Hund schaute gelangweilt einer Joggerin nach, die zum Wald hin unterwegs war. Die Wildschweine ignorierte er.
Bevor sie zum Böckchengehege gingen, überzeugte sich Walde, dass auch alle Tiere hinter dem Zaun waren und sich keines hinausgezwängt hatte. Ziegen hatten eine Größe, die Quintus’ Kampftrieb anregen konnte.
Nachdem das Brot verteilt war, legten sie eine schnelle Runde durchs Tal ein, wobei Annika unermüdlich plappernd den Großteil der Strecke auf Waldes Schultern zubrachte, und Quintus nicht von der Leine gelassen wurde.
Auf dem Weg zurück in die Stadt fragte er Annika, ob sie Lust auf einen Kakao habe.
Sie ließen den Malamute im Wagen. Vor dem Café der Waldresidenz standen die Stühle an die nassen Tische gelehnt. Im Café war nur noch ein Tisch frei. Während sie auf die Kellnerin warteten, hielt Walde nach Frau Wohlenberg Ausschau. Er konnte sie nirgends entdecken. Einige der Gäste waren weit vom Rentenalter entfernt und schienen auf Besuch zu sein.
Nachdem die Kellnerin die Bestellung aufgenommen hatte, sah er die schmutzige Spur auf den Fliesen, die Annika und er vom Eingang bis zum Tisch hinterlassen hatten. Als er wieder hoch blickte, ging eine elegant gekleidete ältere Dame zwischen den Tischen hindurch. Er hatte Frau Wohlenberg nicht hereinkommen sehen. Wahrscheinlich kam sie von der Toilette. Walde unterdrückte den Impuls, ihr zu winken, da sie ihm nun den Rücken zuwandte und an einem Tisch Platz nahm, an dem ein blonder junger Mann saß, der vom Alter her ihr Sohn hätte sein können. Walde beobachtete, wie Frau Wohlenberg immer wieder den Kopf schüttelte, während ihr Gegenüber energisch auf sie einredete.
Quintus hatte während ihrer Abwesenheit die Zeit genutzt, die lädierten Kopfstützen der Rücksitze noch etwas intensiver zu bearbeiten. Kaum war Walde mit Annika und Quintus wieder zu Hause angekommen, fuhr Doris zum Einkaufen. Annika verschwand in ihrem Zimmer, angeblich, um ihren Kuscheltieren von denen im Wildgehege zu erzählen.
Walde nahm das Telefon mit auf die Terrasse und rief im Präsidium an. »Oh, du bist da?«, fragte er überrascht, als Grabbe sich meldete.
»Du hast meinen Apparat angewählt!«, sagte Grabbe »Ich hab es auf gut Glück probiert, schließlich haben wir Samstag.«
»Wenn du dich an einem Fall festbeißt, steckst du mich meistens auch mit an. Meine Frau ist übers Wochenende zu ihren Eltern gefahren. Und deshalb habe ich heute Morgen schon ein wenig recherchiert.« Grabbe legte eine Kunstpause ein, meist ein Indiz dafür, dass er fündig geworden war. »Wusstest du, dass die Tiefgarage in Wohlenbergs Haus noch bis vor ein paar Monaten betrieben wurde?«
»Nein.«
»Und da wurde auch ein Parkwächter gebraucht.«
»Ja.«
»Und wer hat da gearbeitet?« Grabbe dehnte seine Worte.
»Keine Ahnung.«
»Rocky.«
»Davon hat er nichts erzählt.«
»Das wird wahrscheinlich seinen Grund haben.«
»Weiß Gabi das schon?«, fragte Walde.
»Sie hat ihr Handy ausgeschaltet.«
»Ich kümmere mich darum. Kannst du herausfinden, wo der frühere Hausmeister der Treverer Kellerei wohnt, ich glaube, er heißt Kaspar mit Vornamen?«
»Wie soll ich das denn machen?«
»Vergiss es, ich hab da eine Idee, wer mir weiterhelfen könnte. Versuch mal, an den Totenschein von Rüdiger Wohlenberg heranzukommen.«
Walde wunderte sich, als er Gabis Privatnummer noch im Speicher des Telefons fand. Doris hatte kürzlich aufgeräumt und viele Nummern gelöscht. Er hatte ihr freie Hand gelassen. Etliche Bekannte, meist Leute aus der Musikszene, die er schon seit Jahren nicht mehr am Telefon gesprochen hatte, fehlten. Seine Exfreundin war noch drin, obwohl er lange nichts mehr von ihr gehört hatte und bezweifelte, ob sie unter dieser Nummer überhaupt noch zu erreichen war.
Mit dem Telefon am Ohr ging er hinaus und setzte sich auf die Terrasse. Quintus hob den Kopf und beobachtete, wie die Katze unter Waldes Beinen hindurchschlüpfte und mit dem Kopf gegen seine Waden stupste.
»Ja, was gibt’s?«, meldete
Weitere Kostenlose Bücher