Tango Mosel
haben konnte. Sie lächelte Corinna an, wusch sich die Hände, warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Als sie ihre Tasche öffnete und einen Lippenstift herausnahm, spürte sie, wie Corinna sie beobachtete. Gabi achtete darauf, das Innere ihrer Tasche ihrem Blick nicht preiszugeben.
Martin sah stumm den Tanzenden zu. Als Gabi zurückkam, erhob er sich. Sie deutete dies als Aufforderung, wieder mit ihm zu tanzen.
»Argentinischer Tango ist doch was ganz anderes als das, was man hier in den Tanzschulen lernt«, sagte Martin.
»Und woher beherrschst ihn so gut?«, fragte sie.
»Gut?« Martin schaute sie mit skeptischer Miene an. »Tango lernt man nur durch häufiges Tanzen, so einfach ist das. Und jetzt gerade halten!«
Der Ocho klappte erstaunlich gut. In den ungewohnt flachen Schuhen hatte Gabi das Gefühl, sich nach vorn beugen zu müssen, um das Gleichgewicht halten zu können.
Sie überließ sich Martins Führung, hörte die Musik und genoss die weichen Bewegungen.
Sie hatte den Moment verpasst, wo sie Martin die Wahrheit über ihren Beruf hätte sagen können. Gabi versuchte sich damit zu beruhigen, dass sie mit ihrer Umschreibung nicht direkt gelogen hatte.
Sie sah, dass Corinna zum Tisch zurückgekehrt war und mit Susanne redete, während die beiden sie beobachteten.
»Kennst du die am Nebentisch vom Tanzen her?«, fragte sie.
»Corinna ist meine Partnerin.« Martin sah Gabi an, als erwarte er einen irritierten Gesichtsausdruck.
Sie trat ihm stattdessen auf den Fuß. »Entschuldige, da war ich wohl etwas zu schnell.« Sie tanzten eine Schrittkombination, zu der Martin ihr erklärt hatte, sie müsse jeweils immer ihren Fuß dorthin setzen, wo seiner gerade war.
»Sie ist meine Kollegin, wir führen zusammen die Praxis«, fuhr er fort.
»Auch Therapeutin?«
Er nickte: »Und Susanne, also die Blonde, ist ihre Freundin. Sie ist auch noch nicht lange hier in Trier.«
»Wer ist denn noch neu hier?« Es schien Gabi nicht angebracht, direkt nach dem jungen Mann zu fragen.
»Ich bin erst seit ein paar Monaten hier, sonst hätten wir uns sicher schon vorher kennen gelernt.« Er verzog das Gesicht, weil Gabi ihm schon wieder auf den Fuß getreten war.
Samstag
Er hatte bereits eingekauft, Minka und Quintus gefüttert und den Frühstückstisch gedeckt. Während er die Zeitung las, hoffte Walde, dass Doris und Annika endlich wach würden. Nach einer Weile, er hatte sich bereits ein Brötchen geschmiert, hörte er trippelnde Schritte auf dem Holzboden der Diele. Die Tür wurde mit Schwung aufgestoßen. Annika begrüßte ihn stürmisch.
»Gehen wir heute Schweine füttern, Annika?«
»Au, ja.« Sie lief wieder hinaus. Er folgte ihr und sah, wie sie ihre Stiefel unter der Garderobe herauszog.
»Aber erst nach der Raubtierfütterung in der Küche. Ich habe dir ein Ei gekocht.«
Sie stürmte in die Küche zurück und erklomm ihren Stuhl.
»Versprich mir, sie nicht zu irgendwelchen Ermittlungen mitzunehmen.« Doris’ Bewegungen zeugten von weit weniger Tatendrang als der ihrer Tochter. »Es reicht, wenn Quintus bis spät in die Nacht mit dir auf Verbrecherjagd gehen muss.«
»Ich hab noch was mit Uli getrunken.«
»Hast du ihn an der Mosel getroffen?«, fragte sie mit gespielter Überraschung.
»Wir waren in der Weinklause.«
»Wo ist denn die?«
»Neben der Baustelle der City-Passage …«
»Okay«, Doris nahm sich ein Croissant aus dem Korb. »Du wirst dich auch heute nicht von deinem Fall abhalten lassen. Quintus kannst du von mir aus mitnehmen, aber Annika bleibt bei mir.«
»Ich hab versprochen, mit ihr Schweine füttern zu gehen.«
»Gut, aber danach bringst du sie zurück!«
Es hatte geklingelt. Das Päckchen, das ein Bote brachte, sah nach einer Büchersendung aus. Als Walde es entgegennahm, wäre es ihm fast aus der Hand gefallen, weil es mindestens dreimal so schwer wie erwartet war.
Zusammen mit Annika packte er das Päckchen auf dem Dielenboden aus. Zum Vorschein kam eine Holzkiste mit sechs Boulekugeln.
»Hast du die vielleicht bestellt?«, fragte er Doris, als sie einen Blick auf die glänzenden Kugeln warf, von denen Annika begeistert zu sein schien.
Doris hängte eine Tüte, in der sich wahrscheinlich Brotreste befanden, über die Klinke der Dielentür. »Nein, ebenso wenig wie die Financial Times , die Münzen und das Panflötenkonzert.«
Auf den Wegen entlang der Wildgehege am Rande des Stadtwalds war um diese Zeit noch nichts los. Gut, dass Annika Stiefel trug, die
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