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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schenkel
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Leben
zu sinnieren«, sagt die Marie zu sich selbst. Sich fertig
einrichten und schlafen muss sie, damit sie morgen in der Früh
aufstehen kann. Sie hat schon genug Zeit vertan. Sorgfältig
räumt sie ihre Habseligkeiten weiter ein. Wieder versinkt sie,
wieder schweifen ihre Gedanken ab, denkt an das erste gemeinsame
Essen mit ihrem neuen Dienstherrn.
    Der Bauer, ein großer,
kräftiger Mann, einsilbig. Während des Abendessens hat er
nicht viel gesprochen. Er hat sie nur kurz begrüßt, als
er in die Stube kam. Ein fester Händedruck, ein
abschätzender Blick, das war alles.
    Seine Frau, auch sie sehr still.
Älter als ihr Mann. Verhärmt, verschlossen. Sie sprach
das Tischgebet. Die Tochter, sie war nett zu Marie. Hat gefragt, ob
sie außer der Traudl noch andere Geschwister hat, Nichten und
Neffen. Hat sich nach deren Namen erkundigt und nach dem
Alter.
    Mit der kann man noch am besten
auskommen, denkt sich Marie.
    Und die Kinder …
    Die Kinder hier im Haus sind nett.
Nette Kinder, besonders der kleine Bub. Der hat sie gleich
angelacht. Der wollte immer mit ihr spielen. Sie hat mit ihm
gescherzt. Hat ihn auf ihren Schoß genommen und auf den Knien
reiten lassen, wie sie es immer mit den Kindern ihrer Schwester
gemacht hat. »Hoppe Reiter« hat sie mit ihm gespielt, von
ihrem Schoß hat sie ihn plumpsen lassen. Der Kleine hat vor
lauter Lachen gegluckst.
    Wie die junge Bäuerin die
Kinder zu Bett geschickt hat, da ist die Marie auch aufgestanden.
Hat gesagt: »Ich geh auch gleich in die Kammer, muss meine
Sachen noch einräumen. Dann kann ich morgen in aller Früh
gleich anfangen.«
    Sie hat allen noch eine gute Nacht
gewünscht und ist in ihre Kammer gegangen.
    Aber bleiben will sie auf diesem
Hof nur solange, bis sie was Besseres gefunden hat, das weiß
sie jetzt schon. Obwohl die Kinder lieb sind und die junge
Bäuerin eine ist, mit der man auskommen kann. Der Hof liegt
viel zu weit draußen, sie möchte näher bei der
Traudl sein.
    Marie ist mit dem Einräumen
fast fertig. Nur noch den Rucksack
auspacken.     
    Draußen ist das Wetter noch
schlechter geworden. Der Wind nimmt immer mehr zu. Es stürmt.
Hoffentlich ist die Traudl gut zu Hause angekommen, denkt sie bei
sich.
    Das Fenster ist nicht besonders
dicht, der Wind pfeift durch die Ritzen. Marie bemerkt einen
Luftzug. Sie dreht sich um zur Tür.
    Die Tür steht leicht offen.
Marie will sie schließen. Da bemerkt sie, wie sich die
Tür langsam, knarrend immer mehr öffnet. Ungläubig
staunend blickt sie auf den größer werdenden
Spalt.
    Marie ist unschlüssig, sie
weiß nicht, was sie tun soll. Steif und starr bleibt sie
einfach nur stehen. Den Blick auf die Tür gerichtet. Bis sie
ohne ein Wort, ohne eine Silbe von der Wucht des Schlages zu Boden
fällt.     
 
Von allem Übel,
erlöse sie, oh Herr!
    Von Deinem Zorne,
erlöse sie, oh Herr!
    Von der Strenge Deiner
Gerechtigkeit,
erlöse sie, oh Herr!
    Von dem nagenden
Gewissenswurm,
erlöse sie, oh Herr!
    Von ihrer langen und tiefen
Betrübnis,
erlöse sie, oh Herr!
    Von der Qual des
läuternden Feuers,
erlöse sie, oh Herr!
    Von der schauerlichen
Finsternis,
erlöse sie, oh Herr!
    Von dem schrecklichen Jammern
und Wehklagen,
erlöse sie, oh Herr!
    Durch Deine wunderbare
Empfängnis,
erlöse sie, oh Herr!
    Durch Deine Geburt,
erlöse sie, oh Herr!
    Durch Deinen süßen
Namen,
erlöse sie, oh Herr!
    Durch Deine Taufe und Dein
heiliges Fasten,
erlöse sie, oh Herr!
    Durch Deine grenzenlose
Demut,
erlöse sie, oh Herr!
    Am Morgen steht er meist noch vor
Tagesanbruch auf.
    Schlüpft in seine Hose und
geht über den Flur hinüber in die Küche.
    Dort schürt er den
Küchenherd mit ein paar Scheiten Holz an. Füllt den
kleinen blauen Emailletopf mit Wasser und stellt ihn auf den Herd.
Er wäscht sich das Gesicht kurz mit dem kalten Wasser aus dem
Wasserhahn in der Küche. Wartet noch einige Augenblicke, bis
das Wasser im Topf zu kochen anfängt.
    Die Dose mit Zichorienkaffee steht
auf dem Regal über dem Herd. Er schiebt den Topf mit dem
siedenden Wasser beiseite und gibt zwei Kaffeelöffel voll
Kaffeepulver hinein. Er dreht sich um, holt die Tasse aus dem
Küchenbüffet an der gegenüberliegenden Wand, das
Teesieb aus der Schublade. Er schüttet den Malzkaffee
über das Sieb in die Tasse. Brockt sich noch eine Scheibe Brot
in den »Hafen«. Mit der Tasse Kaffee setzt er sich an den
Tisch in der Zimmerecke, löffelt die voll gesogenen
Brotstücke aus dem Kaffee. Die Tür im Rücken sitzt
er vor dem

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