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Tansania Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer

Tansania Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer

Titel: Tansania Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Eiletz-Kaube
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vielseitigen Verwendungsmöglichkeit verbreitete es sich im Lauf der folgenden Jahrzehnte entlang der gesamten Swahili-Küste und bis ins innere Afrika, ja sogar bis nach Madagaskar und auf die Komoren. Normalerweise erwirbt man den Kanga im Paar
(doti)
, d. h., auf einem Stück Stoff sind zwei identische Muster abgedruckt (also 3 x 1 m).
    Die Ornamente und Motive sind dem indischen, arabischen und afrikanischen Kontext entliehen und symbolisieren gewisse wünschenswerte Eigenschaften wie Fruchtbarkeit und Reichtum. Heutzutage sieht man auf den Kangas aber auch ganz banale Muster, wie Fahrzeuge oder Flugzeuge. Die Muster verändern sich ebenso wie die Mode in den Industrienationen laufend.
    Erst die Sinnsprüche verleihen den Kangas die ganz besondere gesellschaftliche Bedeutung. Frauen (und Männer) wählen sie nämlich nicht nach Formen und Farben aus (wie es westliche Frauen machen würden), sondern nach ihren Botschaften. So erhalten gebärende Frauen von ihren Schwiegermüttern einen Kanga, um ihnen durch die Blume Ratschläge für die Erziehung der Kinder oder die Ehe zu geben. Ebenso kann ein Ehemann seiner Frau einen Kanga mit einem passenden Sprichwort schenken, um sich bei ihr zu entschuldigen. Da finden sich sprichwörtliche Weisheiten wie
Njia mwongo fupi
(„Der Weg des Lügners ist kurz”, im Sinne von „Lügen haben kurze Beine”) ebenso wie
Haba na haba, hujaza kibaba
(„Wenig und wenig füllt den Behälter” im Sinne von „Auch Kleinvieh macht Mist”). Männer, die sich eine Eskapade erlaubt haben, mögen den Kanga mit der Aufschrift
Mpenzi uwe radhi
(„Liebling, es tut mir leid!”) wählen.
    Somit avancierte der Kanga vom praktischen Kleidungsstück zum sozialpolitischen Kommunikationsmedium, durch das die Frauen persönliche, politische oder religiöse Ansichten ausdrücken. Politische Kandidaten machen sich die gesellschaftliche Kraft des Kanga ebenso zunutze, indem sie ihn beispielsweise als Wahlgeschenk austeilen (versehen mit den richtigen Wahlsprüchen, versteht sich).
    Nicht zu verwechseln ist der Kanga mit dem Kitenge, der zwar ebenso ein buntes Baumwolltuch ist, aber weder das traditionelle Kanga-Design noch Sinnsprüche aufweist. Aus ihnen werden die typischen, bunten Gewänder der Frauen genäht. Moslemische Männer auf den Inseln trugen seinerzeit traditionell Kikoys, Baumwolltücher ohne Muster, dafür aber in kräftigen Farben, die an Gewürze, die Farben des Meeres und die Tropen erinnern. Sie sind heute nur auf Sansibar erhältlich, und auch für die Kangas gilt: Wer auf Sansibar nicht fündig wird, wird es nirgendwo.
    Zum anderen erstickt die Großfamilie jegliche Eigeninitiative: Wozu soll ein junger Mann oder eine Frau sich auf die Suche nach Arbeit begeben, wenn der große Bruder oder Onkel ohnehin zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist? Die Großfamilie gilt als einer der Gründe, warum sich in Tansania bis heute keine Mittelschicht bilden konnte, obwohl eine solche für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unabdingbar wäre.
    Doch noch überwiegt die Notwendigkeit der Großfamilie: Nur durch sie konnten die dramatischen Auswirkungen von Aids bis dato einigermaßen abgefedert werden. Die Großmütter übernehmen die Rolle der Eltern, wenn diese durch Aids dahingerafft werden. Doch mittlerweile sind die Kapazitäten erschöpft, denn die Großmütter können die riesige Schar der elternlosen Kinder nicht länger auffangen. Die Unicef schätzt, dass mehr als 3 Mio. Kinder keine Eltern mehr haben, davon 1,3 Mio. durch Aids, der Rest durch andere Todesursachen. Jene Kinder, die nicht das Glück haben, bei einer
bibi
(Großmutter) zu wohnen, werden dann ihr Leben als bettelnde, stehlende Straßenkinder und Prostituierte fristen – und den Staat Tansania vor unermessliche Probleme stellen.
Das Senioritätsprinzip
    Egal ob in der Familie, im Freundeskreis oder im Berufsleben – in Tansania herrscht eine strenge hierarchische Ordnung nach Alters- und Gesellschaftsklassen. Jeder Mann (weniger die Frauen) durchläuft bestimmte Lebensabschnitte, die jeweils mit Rechten und Pflichten verbunden sind. Die höchste Stufe der Hierarchie bilden die Ältesten, die alle wichtigen politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen treffen und zudem ein außerordentlich hohes Ansehen genießen. Häufig, vor allem im ländlichen Raum, werden ihnen auch magische Fähigkeiten zugeschrieben. Sie stellen beispielsweise die Verbindung zu den traditionellen Autoritäten wie dem Urahn oder

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