Tansania Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer
in Bujora (nahe Mwanza) besichtigt werden. Noch heute existiert formal ein König, der allerdings durch die Bildung des Staates Tansania politisch an Einfluss verloren hat. Neben dem König wurden die Ahnen und Naturgeister gefürchtet; Regenmacher, traditionelle Medizinmänner und Naturgeisterheiler waren dementsprechend angesehen, da sie die Menschen von diesen Geistern wieder befreiten. Sukuma-Land ist heute landesweit noch immer für die (illegalen) Hexenverbrennungen (s. auch S. 139 ) bekannt, die sich in dieser Gegend – verglichen mit anderen Gebieten – häufen.
Beispiel: Die Makonde
Vor über 300 Jahren zog es die Makonde wegen anhaltender Dürreperioden vom Lake Malawi in ihr heutiges Siedlungsgebiet im Süden Tansanias und Norden Mosambiks. Lange konnten sie Einflüssen von außen und arabischen sowie europäischen Besetzungsversuchen standhalten. Erst Anfang des 20. Jhs. büßten sie nach einem beispiellosen Gemetzel der Kolonialmacht (s. S. 239 ) erstmals ihre Souveränität ein. Selbst heute lebt das Volk aufgrund fehlender Stra-ßenanbindung und mangelhafter Infrastruktur noch relativ isoliert, was dazu führte, dass sie sich ihre Eigenständigkeit bewahren konnten.
Die Legende erzählt, dass die erste Makonde-Frau aus Holz geboren wurde. Als matrilineare Gesellschaft gehören Besitz und Erbschaften genauso zur Frau wie die Kinder. Männer erhalten ein Wohnrecht im Dorf ihrer Ehefrauen, haben aber das Privileg, die mythologisch und spirituell wichtigen Holzschnitzereien, für die die Makonde bekannt sind (s. S. 151 ), anzufertigen. Traditionell aus Ebenholz gefertigt, stellen sie häufig weibliche, schwangere Figuren dar, aber auch Masken zählen zum Repertoire der Holzschnitzer. Wegen ihres künstlerischen Ausdrucks haben die Schnitzereien ab den 1950er-Jahren Einzug in die westlichen Kunstgalerien gehalten.
Als Erkennungsmerkmal ritzen sich die Frauen Ziernarben ins Gesicht. Die markanten Lippenteller sind aber größtenteils aus dem Alltag verschwunden.
Beispiel: Die Segeju
Wenig bekannt und auch schlecht dokumentiert ist hingegen die Geschichte der Segeju, die auch unter dem Namen Dhaiso bekannt sind. Die überwiegend moslemische Ethnie soll ursprünglich rund um den Mount Kenya in Kenia beheimatet gewesen sein. Ähnlich wie die Maasai bestritten die Segeju ihren Lebensunterhalt als Viehhüter und waren als Krieger gefürchtet. Die einfallenden Portugiesen nutzten die kriegerische Mentalität der furchtlosen Männer beispielsweise, um die Zinza zurück in den Süden Afrikas zu drängen, und Ende des 16. Jhs. wurde Mombasa gar von den Segeju eingenommen. Nach und nach drängten aber andere Volksgruppen die Segeju immer weiter nach Süden ab, bis ins tansanische Tanga. Heute glauben Ethnologen, dass die Sprache Kisegeju in Kenia ausgestorben ist, während in Tansania nur noch wenige hundert oder vielleicht tausend Sprecher in den Eastern Usambara Mountains dieser Sprache mächtig sind. Kisegeju ist im Roten Buch der gefährdeten Sprachen der Unesco
(Unesco Red Book of Endangered Languages)
eingetragen und wird in wenigen Jahren vermutlich ganz ausgestorben sein.
Sprache
Auch wenn es von Ausländern oft verkannt wird, sind die meisten Tansanier multilingual. Der Großteil wächst mindestens zweisprachig auf, mit der eigenen Stammessprache sowie der Schul- und Amtssprache Swahili. Ein kleiner Prozentsatz, vor allem in den Ballungs- und Touristenzentren, spricht zusätzlich noch Englisch, die zweite offizielle Sprache.
In knapp 130 Stämmen werden mindestens ebenso viele Sprachen gesprochen. So sind in Tansania Bantusprachen, nilotische, kuschitische, khoisanische und arabische Sprachen verbreitet, die aufgrund der Verkehrssprache Swahili friedlich koexistieren. Die Vielfalt ist wahrlich faszinierend (und auch einzigartig). Die Stämme sowie die dazugehörigen Sprachen heißen meist gleich; den Sprachen wird die Vorsilbe Ki- vorangestellt. So sprechen die Stammesmitglieder der Luguru Kiluguru (und sie stammen aus dem Gebiet der Uluguru Mountains).
Offizielle Landessprache ist Swahili; es ist die Sprache von Politik, Regierung und Medien. Aufgrund der Größe des Einzugsgebietes dieser Sprache (das sich auf ganz Ostafrika erstreckt) ist es nur allzu verständlich, dass sie viele regional unterschiedliche Dialekte aufweist. Der sansibarische Dialekt wurde deshalb zum Standard-Swahili, vergleichbar mit dem Hochdeutschen, erklärt (s. auch S. 506 ).
Die Sprache des Geldes ist jedoch (noch)
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