Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
erläuterte Julian. »Wenn möglich wählte er Heime wie Sankt Benedikt aus.« Durch diese Methode hatte Julian Kits Reiseweg in den letzten vier Jahren zurückverfolgen können.
    »Ich weiß nicht mehr, mit wie vielen Menschen ich gesprochen habe«, sagte Julian. »Aber jeder, der Kit kennengelernt hat, egal wie lange es her ist, erinnert sich an ihn.«
    »Er macht Eindruck«, sagte ich und schaute auf die Reisetasche.
    »Wenn es keine Obdachlosenheime in der Nähe der Basen gab«, fuhr Julian fort, »muss Kit sich anderweitig beholfen haben.«
    »Zum Beispiel, indem er einen Job annahm, der Kost und Logis beinhaltete«, warf ich ein.
    »Siehe Blackthorne Farm.«
    »Ganz recht. Deshalb finden sich auch einige Lücken in seiner Geschichte.«
    Ich musste lächeln. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie nicht jede Farm zwischen Hertfordshire und Durham angerufen haben?«
    »Das musste ich gar nicht«, erwiderte Julian ungerührt. »Nicht, nachdem ich mit dem Burschen geredet hatte, der die Suppenküche in Lossiemouth organisiert. Er verriet mir, dass Kit seine Suppenküche mit einer anderen verglich, die in London von der Anglikanischen Kirche betrieben wird – Sankt Joseph in Stepney.« Die Stimme des Priesters zitterte vor kaum zu bändigender Aufregung. »Als ich dort anrief, erzählte mir die Frau am Telefon, dass der Vikar, ein Mann namens Philip Raywood, Kits Familie kennt!«
    Ich beugte mich über das Telefon und wünschte, Julian wäre hier bei mir und nicht irgendwo dort draußen. »Haben Sie mit diesem Philip Raywood gesprochen?«
    »Leider war er tagsüber nicht zu erreichen.
    Aber ich habe einen Termin ausgemacht, ich werde mich morgen Abend mit ihm in Sankt Joseph treffen.« Er zögerte. »Ich schätze, die Chancen, dass Sie mitkommen, stehen eher schlecht.«
    Ich ballte die Faust und schlug auf mein Kissen ein. Ich konnte es nicht ertragen, nur noch als Statist dabei zu sein und das Geschehen von außen anzusehen, aber ich hatte keine Wahl.
    »Ich kann nicht, Julian«, sagte ich traurig.
    »Ich verbrenne alle Lebkuchenmänner, die Girlanden müssen noch über die Tür gehängt werden, die Geschenke sind noch nicht eingepackt
    …« Meine Worte verloren sich in einem enttäuschten Murmeln.
    »Verzeihen Sie«, sagte Julian. »Ich hätte den Vorschlag gar nicht machen dürfen. Ihre Aufgabe ist viel wichtiger als meine. Familientraditionen müssen bewahrt werden, Lori, wenn sie …«
    Plötzlich wurde seine Stimme leiser.

    »Julian? Sind Sie noch dran?«
    »Tut mir leid … melde mich bald wieder …«, verstand ich noch, bevor der Klang seiner Stimme endgültig erstarb.
    »Viel Glück«, sagte ich und legte auf. Warum hatte ich nur nicht daran gedacht, ihm das Ladegerät für das Handy mitzugeben? Kein Wunder, dass es nach den unzähligen Telefonaten schlappgemacht hatte.
    Seufzend kroch ich ans Bettende und drückte die Reisetasche an meine Brust. Ich hatte in der letzten Nacht von Kit geträumt, so wie in den Nächten davor. Er kam den Reitweg entlang, auf einem eleganten schwarzen Hengst. Sein langes Haar wehte im Wind, seine wunderschönen Hände hielten die Zügel fest.
    Als er das Cottage erreicht hatte, scheute das Pferd plötzlich, und Kit stürzte zu Boden. Der Hengst verdrehte sich grotesk und löste sich langsam auf. Kit lag auf den Knien und blickte mich durch das hell erleuchtete Fenster an. Während ich in das Schneetreiben dort draußen schaute, brach Kit unter meinen Lilienbüschen zusammen. Er hielt Anne Somervilles kleines braunes Pferd in den Händen, die vor Kälte schon blau angelaufen waren.
    Ich war tränenüberströmt aufgewacht, und nun sah es so aus, als sollte ich auch so einschlafen. Der Gedanke, dass Julian vielleicht bald Kits Familie kennenlernen würde, ohne dass ich dabei war, ließ sich nur schwer ertragen. Anne Somerville hatte gesagt, Kits Vater sei tot, aber vielleicht lebte seine Mutter noch; und sicherlich würde sie froh sein, etwas von ihrem Sohn zu hören. Sie würde Julian sicher mit offenen Armen willkommen heißen.
    Es sei denn, sie sprach nicht gerne mit einem fremden Mann.
    Oder sie misstraute römisch-katholischen Priestern.
    Ich presste meine Wange gegen die Reisetasche, bevor ich sie wieder auf die Wäschekiste stellte. Ich brauchte den Rat Tante Dimitys.

    »… Julian könnte sich also auf den Weg nach London machen, mit Philip Raywood sprechen und Kits Mutter finden, um schließlich doch mit leeren Händen dazustehen«, beendete ich meinen Bericht.
    Dimity

Weitere Kostenlose Bücher