Tante Dimity und der Fremde im Schnee
verständlich, aber du kannst nicht nach Lincoln.«
Ich sah ihn entgeistert an. »Warum nicht?«
Mein Schwiegervater erklärte es mir geduldig, als spräche er mit einem kleinen Kind. »Heute ist der 20. Dezember. In vier Tagen werden dreißig Gäste in das Cottage strömen. Sie erwarten ein festliches Mahl und festlichen Schmuck. Du hast keine Zeit, um nach Lincoln zu fahren, es sei denn, du hast vor, deine Gäste mit aufgewärmter Hühnersuppe zu bewirten und sie zu einer Weihnachtsfeier ohne Weihnachtsbaum willkommen zu heißen.«
»Oh«, sagte ich.
»Ihr Schwiegervater hat ganz recht«, meldete sich Julian. »Ich rufe das Obdachlosenheim an, und wenn es nötig wird, fahre ich nach Lincoln.
Aber Sie müssen hier bleiben, wo Sie gebraucht werden. Mr Willis, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir das Buch über die Fliegerstaffel einmal ausleihe?«
»Nicht im Geringsten«, entgegnete Willis senior. »Das Kapitel über die Pathfinder-Truppen ist ausgesprochen interessant. Kennen Sie die Geschichte der Pathfinder …«
Die beiden Männer kamen ins Gespräch, und ich musste mich mit dem Gedanken abfinden, zu Hause zu bleiben. Willis senior hatte ja recht –
ich brauchte mindestens drei Tage, um alles für das Fest vorzubereiten –, trotzdem, ein Teil von mir schmollte, weil Julian nun ohne mich weitermachen würde. Aber ich hatte keine Wahl. Ich wurde, wie Julian ganz richtig gesagt hatte, zu Hause gebraucht.
»Informieren Sie mich, sobald Sie etwas herausgefunden haben«, sagte ich zu dem Priester.
»Aber natürlich.« Julian lauschte, als die Uhr im Arbeitszimmer schlug. »Ach du meine Güte, ist es schon so spät. Ich muss schnellstens los.«
»Und ich muss mich für die Probe heute Abend vorbereiten«, verkündete Willis senior. »Die Letzte vor der Vorstellung am Heiligabend.«
»Fühlst du dich auch wirklich gut genug?«, fragte ich ihn.
»Nun, nach dem, was du mir über die Predigt des Vikars erzählt hast, würde ich die heutige Probe um nichts auf der Welt verpassen wollen.
Wenn Sie mich entschuldigen, Vater Bright …«
Julian sah Willis senior nach, dann drehte er sich um, um den Jungen auf Wiedersehen zu sagen. Als ich mich zu ihm stellte, hob Will seine Arme zum Priester hinauf und krähte: »Papa!«
Julian lachte lauthals. »Das ist zweifellos das netteste Kompliment, das mir je gemacht wurde.«
»Ich hole Ihre Jacke«, sagte ich und eilte in den Flur, tief errötend.
Julian grinste noch immer, als er sich die Lederjacke überstreifte, aber bevor er sich verabschiedete, sah er mich noch einmal mit ernstem Blick an. Er legte die Hand unter mein Kinn.
»Sind Sie sicher, dass es Ihnen gutgeht?«
»Mhm«, brachte ich hervor, während sich die Wärme seiner Hand ausbreitete.
»Ich habe ja noch Ihr Handy«, sagte er.
»Wenn Sie mich brauchen, ob Tag oder Nacht
…«
Er ließ die Hand sinken und öffnete die Haustür. »Rufen Sie mich an.«
Ich nickte, vor allem, weil ich meiner Stimme nicht traute. Ich blieb in der Haustür stehen, bis Sankt Christophorus nicht mehr zu sehen war, dann kehrte ich in die Küche zurück und baute mich vor Will auf. »Der Mann heißt Vater Bright «, sagte ich zu ihm und strich ihm sanft mit dem Handknöchel über die Wange. »Nicht Papa .«
15
ICH SCHLIEF BEREITS, als Willis senior von der Probe zurückkehrte, deshalb sprach ich ihn erst am nächsten Morgen, als er ins Kinderzimmer kam, an. Rob war schon angezogen und spielte in seinem Bettchen. Ich saß auf dem Boden und kleidete seinen Bruder an.
»Was für ein wunderbarer Morgen!«, rief Willis senior aus. Er nahm Rob in den Arm und tanzte mit ihm im Walzerschritt zum Fenster.
»Hast du schon jemals einen solch wunderbaren Tag erlebt?«
»Warum habe ich das wunderbare Gefühl, dass alles nach deinen Wünschen verlaufen ist?«
Ich zog Will die Hose über die frische Windel und griff nach seinen Strümpfen. »Offenbar lief die Probe recht gut.«
Willis senior küsste Rob auf die Nase und lehnte sich auf das Fensterbrett, als wolle er die Welt begrüßen. »Sie hätte nicht besser laufen können. Mrs Kitchens Kostüm klappert nicht mehr, Mr Farnham ist nicht ein einziges Mal von der Bühne gefallen, und Lady Eleanors Vorstellung war makellos.«
Kein Erbrechen mehr, dache ich und kicherte vor mich hin.
»Aber die erfreulichste Wandlung hatte Mrs Bunting durchgemacht. Jedem ist es aufgefallen, aber Mr Barlow fand die passenden Worte dafür.
Er sagte: ›Ich glaube, die Predigt des Vikars hat
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