Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
Wendy in das Ankleidezimmer gerannt.
    »Wann ist Ihr Vater nach Ladythorne gekommen?«, fragte ich.
    »Ende Februar 1945«, sagte sie. »Warum?
    Was haben Sie gefunden?«
    »Lucastas Tagebuch von 1945.«
    »Oh.« Wendy fuhr mit der Spitze ihres Hüttenschuhs über den Boden und sah mich nachdenklich an. »Ich glaube nicht, dass wir es lesen sollten, oder was meinen Sie?«
    »Nicht Wort für Wort jedenfalls.« Ich blätterte durch die Seiten, bis ich bei Ende Februar ankam. »Nur die Stellen, die von dem Diebstahl handeln. Sie muss in ihrem Tagebuch darüber geschrieben haben. Vielleicht verrät sie uns sogar, wo sie die Parure versteckt hatte.«
    Wendy blieb zögernd stehen und beobachtete, wie ich weiterblätterte. Die Einträge waren unterschiedlich lang, manche enthielten nur ein paar Zeilen, andere wiederum waren in mehrere Absätze unterteilt, doch die Schrift blieb immer gleichmäßig ordentlich und ebenmäßig, bis ich bei einem Eintrag anlangte, der mit dem 25. April datiert war – wo die Handschrift mit einem Mal seltsam eckig und hektisch wirkte.
    »Ich habe die Stelle gefunden«, sagte ich und las laut vor: »›Gestern Nacht hat Mutter mich besucht und mir gesagt, dass ihre Juwelen gestohlen wurden. Heute habe ich nachgesehen, und es ist wahr. Ich habe keine Ahnung, wie jemand es schaffen konnte, wo doch überall Wachposten aufgestellt sind, aber die Parure ist verschwunden. Die Diebe müssen gewartet haben bis zur dunklen Seite des Mondes, diese Teufel. Ich werde ihnen niemals vergeben. NIEMALS!‹« Verstört klappte ich das Tagebuch zu und sah Wendy an. »Das war’s«, sagte ich.
    »Hier enden die Einträge.«
    »Aber … aber Lucastas Mutter starb bereits vor dem Krieg«, wandte Wendy ein. »Sie konnte doch nicht …«
    »Ich weiß.«
    Die eintretende Stille schien eine Ewigkeit zu dauern.
    »Sie hatten recht.« Wendys Murmeln klang laut, als das Schweigen plötzlich unterbrochen wurde. »Ihr Geist war zerrüttet, lange bevor die Parure gestohlen wurde. Die Besuche ihrer Mutter waren eine Halluzination.«
    »Allerdings eine ziemlich konkrete«, wandte ich ein, »wenn Lucasta dadurch Wind von dem Diebstahl bekam.«
    »Sie muss noch anderswoher einen Hinweis bekommen haben«, sagte Wendy bestimmt.
    »Und zwar ganz real. Der Besuch ihrer Mutter war nur eine Ausgeburt ihres kranken Geistes.
    Tote können nicht sprechen.«
    Ich hätte Wendy gern mit Dimity bekannt gemacht, schob den Gedanken jedoch rasch beiseite. Wendys Glaube an ihren Vater war zerbrochen. Ich wollte sie nicht zusätzlich belasten, indem auch noch ihre Definition des Begriffs »real« in sich zusammenbrach.
    »Was meinen Sie, was wollte sie damit sagen, als sie von den Wachen schrieb und dem Neumond?«, fragte ich.
    »Nichts«, sagte Wendy ohne Umschweife.
    »Eine weitere Halluzination. Sie war nicht ganz bei Trost, Lori. Wir können uns auf nichts verlassen, das sie in ihr Tagebuch geschrieben hat.
    Lassen Sie uns lieber mit der Suche fortfahren.«
    Wendy schüttelte den Kopf und ging in das Schlafzimmer zurück.
    »Richtig«, sagte ich, als sie gegangen war, blieb aber dennoch an der Frisierkommode sitzen und starrte weiterhin auf das Tagebuch. Ich konnte nichts gegen das Gefühl tun, dass Lucasta zu uns aus dem Jenseits sprach, in einer Sprache, die verschlüsselt war und die wir deshalb nicht verstanden. Glücklicherweise wusste ich, wo ich eine hoch qualifizierte Übersetzerin finden würde.
    Ich stand auf, schob das Tagebuch unter meinen Pullover und ging auf dem kürzesten Weg in den Flur hinaus, über die Schulter rufend: »Muss mal kurz wohin. Bin gleich wieder zurück.«

20
    »DANN TAUCHTE PLÖTZLICH Lucastas Tagebuch auf, in einem Taschentuchetui verborgen«, schloss ich meinen Bericht. »Und so lautet der letzte Eintrag …«
    Tante Dimitys Notizbuch lag aufgeschlagen auf dem Teetisch in meinem Schlafzimmer. Während ich die letzten Sätze des Tagebuchs vorlas, stand ich davor. Ich legte es zur Seite und nahm stattdessen das blaue Notizbuch und ließ mich erschöpft in den Armlehnsessel fallen.
    »Was meinst du?«, fragte ich.
    Nun ja . Dimity machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr. Um ganz ehrlich zu sein , weiß ich nicht genau , was ich davon halten soll . Du hast jedenfalls recht , wenn du sagst , dass Lucasta sich sozusagen lebendig in dieser schrecklichen Suite begraben hat , außerdem kann ich dir sagen , dass Raben im Familienwappen ihres Verlobten eine besondere Rolle spielten , aber ob sie den Raben im

Weitere Kostenlose Bücher