Tante Julia und der Kunstschreiber
Augenblick für ihn beginne.
Dann verhafteten die Polizisten Gumercindo Tello. Der Mechaniker leistete nicht den geringsten Widerstand, versuchte nicht zu fliehen und zeigte keinerlei Über raschung über die Tatsache, daß er festgenommen wurde. Als er die Handschellen angelegt bekam, beschränkte er sich darauf, den anderen zu sagen: »Brüder, ich werde euch nie vergessen.« Die Zeugen brachen sofort in neue Gesänge aus, blickten gen Himmel und verdrehten die Augen, so begleiteten sie ihn bis an den Wagen von Herrn Principe, der die Polizisten und den Festgenommenen bis zur Wache von Victoria brachte, wo man ihm für die geleisteten Dienste dankte und sich verabschiedete. Auf dem Polizeirevier fragte Hauptmann G. C. Enrique Soto den Angeklagten, ob er sich seine Schuhe und seine Hose im Hof trocknen wolle. Worauf Gumercindo Tello erwiderte, er habe sich daran gewöhnt, feucht herum zugehen, wegen der stark anwachsenden Zahl von Bekehrungen zum wahren Glauben, die in letzter Zeit in Lima zu verzeichnen sei. Sofort begann Hauptmann Soto mit dem Verhör, bei dem der Angeklagte sich kooperativ zeigte. Nach seiner Person befragt, erwiderte er, er heiße Gumercindo Tello und sei der Sohn von Dona Gumer-cinda Tello aus Moquegua, die bereits tot sei, und eines unbekannten Vaters. Er sei wahrscheinlich auch in Moquegua geboren, vor etwa fünfundzwanzig oder achtundzwanzig Jahren. Was diese Ungewißheit angehe, so erklärte er, seine Mutter habe ihn kurz nach seiner Geburt in ein Waisenhaus für Knaben gebracht, das in jener Stadt von einer Papistensekte geleitet wurde, in deren Verirrungen er, so sagte er, erzogen worden sei und von denen er sich glücklicherweise mit fünfzehn oder achtzehn Jahren habe freimachen können. Er gab an, bis zu diesem Alter im Waisenhaus gelebt zu haben, nämlich bis zu dem Tag, an dem ein großer Brand dieses Haus vernichtet und damit auch alle Archive zerstört hatte: der Grund, weswegen ihm sein genaues Alter bis heute ein Geheimnis geblieben sei. Er erklärte, dieses Unglück sei für sein Leben schicksalhaft gewesen, denn bei dieser Gelegenheit habe er ein weises Paar kennengelernt, das über Land von Chile nach Lima reiste, den Blinden die Augen öffnete und den Tauben die Ohren für die Wahrheiten der Philosophie. Er gab an, mit diesem Paar nach Lima gekommen zu sein; ihren Namen wolle er nicht nennen, denn, so sagte er, sie seien bekannt genug, als daß man sie noch nennen müsse. Seitdem habe er hier gelebt und seine Zeit zwischen der Arbeit als Mechaniker (ein Beruf, den er im Waisenhaus erlernt hatte) und der Verbreitung der Wissenschaft und der Wahrheit aufgeteilt. Er sagte, er habe in Brena gelebt, in Vitarte und in Barrios Altos und sich vor acht Monaten in Victoria niedergelassen, weil er in der Werkstatt für Motorreparatur und autogenes Schweißen »El Inti« eine Stelle bekommen habe, die zu weit von seiner vorherigen Wohnung entfernt liege. Der Angeklagte gab zu, seither im Block Nr. iz an der Avenida Luna Pizarro zu leben. Er gab auch zu, die Familie Huanca Salaverria zu kennen, der er, so sagte er, mehrmals erleuchtende Reden und gute Lektüre angeboten habe, ohne bei ihnen Erfolg gehabt zu haben, genausowenig wie bei den anderen Nachbarn, die stark von der römischen Ketzerei vergiftet seien. Als man ihm den Namen seines mutmaßlichen Opfers nannte, den des Mädchens Sarita Huanca Salaverria, sagte er, er erinnere sich an sie, und da es sich bei ihr um eine Person noch sehr zarten Alters handele, habe er noch nicht die Hoffnung aufgegeben, sie eines Tages auf den richtigen Weg bringen zu können. Als man ihn dann mit der Anklage konfrontierte, zeigte Gumercindo Tello große Überraschung, stritt alle Punkte ab, um im nächsten Moment (eine Verwirrung vortäuschend, im Hinblick auf seine spätere Verteidigung?) in ein sehr zufriedenes Gelächter auszubrechen und zu sagen, das sei die Probe, auf die Gott ihn stelle, um seinen Glauben und seine Opferbereitschaft zu prüfen. Er fügte hinzu, er verstehe jetzt, warum er nicht zum Militärdienst eingezogen worden sei, eine Gelegenheit, die er mit großer Ungeduld erwartet hatte, um durch sein Beispiel, sich nämlich zu weigern, eine Uniform anzuziehen und Treue auf die Fahne zu schwören –beides Attribute des Satans –, predigen zu können. Hauptmann G. C. Enrique Soto fragte ihn, ob er gegen Peru spreche, worauf der Angeklagte antwortete, in keiner Weise. Er beziehe sich nur auf Angelegenheiten der Religion. Dann begann
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