Tante Julia und der Kunstschreiber
Sarita die Nachstellungen illustrierte, deren Opfer sie gewesen war. Der Mechaniker habe immer versucht, sie hier zu berühren, und beide kleinen Hände hoben sich über ihre zarten Brüste und schickten sich an, sie liebevoll zu wärmen. Und auch hier, und die Hände fielen über ihre Knie und strichen über sie hinweg nach oben, immer weiter nach oben, rafften den Rock bis zu den (bis vor kurzem noch unreifen) Schenkelchen. Nervös mit den Augen klappernd, hustend, einen raschen Blick mit dem Sekretär wechselnd, erklärte Dr. jur. Barreda y Zaldivar dem Mädchen väterlich, daß sie so konkret nicht zu sein brauche, sie könne es bei Allgemeinheiten belassen. Er habe sie auch hier gekniffen, unterbrach ihn Sarita, drehte sich halb zur Seite und zeigte ein Hinterteil, das plötzlich zu wachsen, sich wie eine Seifenblase aufzublähen schien. Der Richter hatte die schwindelerregende Vorstellung, sein Büro könne sich jeden Augenblick in ein Striptease-Lokal verwandeln. Mit einiger Anstrengung seine Nervosität beherrschend, bedeutete er der Kleinen mit ruhiger Stimme, die Vorgeschichten zu vergessen und sich nur auf die Fakten der Vergewaltigung zu konzentrieren. Er erklärte ihr, sie solle zwar das Vorgefallene objektiv schildern, es sei jedoch nicht notwendig, bei den Details zu verharren, und er erlasse ihr jene, die – Dr. jur. Barreda y Zaldivar räusperte sich etwas befangen – ihre Scham verletzten. Der Richter wollte einerseits das Gespräch abkürzen und auf der anderen Seite, daß sie sich etwas dezenter gebe. Er dachte, sobald man auf die erotischen Aggressionen zu sprechen käme, werde das Mädchen verständlicherweise verlegen, eilig und oberflächlich sein. Aber Sarita Huanca Salaverria wurde, als sie die Fragen des Richters hörte, wie ein Kampmahn, der Blut riecht. Sie wurde hitzig, überschritt alle Grenzen und warf sich ganz und gar in ein lüsternes Selbstgespräch und eine mimisch-erotische Darstellung, die Dr. jur. Barreda y Zaldivar den Atem verschlug und Dr. Zelaya in eine wirklich unschöne (vielleicht masturba-torische?) körperliche Unruhe versetzte. Der Mechaniker habe an die Tür geklopft, so, und als sie öffnete, habe er sie so angesehen und so mit ihr gesprochen, sei dann niedergekniet, so, habe sich so ans Herz gefaßt und sich so erklärt, ihr so geschworen, sie zu lieben. Verwirrt, hypnotisiert sahen der Richter und der Sekretär dieser Kind-Frau zu, die wie ein Vogel hin und her flatterte, sich wie eine Tänzerin aufbäumte, sich niederbeugte, sich aufrichtete, lächelte, böse wurde, die Stimme verstellte, sich selbst und Gumercindo Tello imitierend, sich verdoppelte und schließlich auf die Knie fiel und (sich, ihr) ihre (seine) Liebe erklärte. Dr. jur. Barreda y Zaldivar streckte die Hand aus, stotterte, das sei genug, aber das wortgewandte Opfer erklärte nun weiter, daß der Mechaniker sie mit dem Messer bedroht habe und sie so ausrutschen ließ und sich so auf sie warf, ihr so den Rock packte – in diesem Moment richtete sich der Richter in seinem Sitz auf, ein bleicher, edler, majestätischer und zorniger biblischer Prophet, und brüllte: »Genug! Genug! Schluß jetzt!« Es war das erste Mal in seinem Leben, daß er die Stimme erhob.
Vom Boden her, wo sich Sarita Huanca Salaverria hingelegt hatte, als sie zum neuralgischen Punkt ihrer plastischen Wiedergabe gekommen war, sah sie erschrocken auf den Zeigefinger, der sie zu durchbohren schien.
»Ich brauche nichts mehr zu wissen«, fuhr der Richter sanfter fort. »Steh auf, streich dir den Rock glatt, geh zu deinen Eltern.«
Das Opfer stand auf, nickte mit einem Gesichtchen, aus dem jetzt alles Mimentum und alle Schamlosigkeit gewichen waren; sie war wieder ein Mädchen und sichtlich aufgelöst. Mit demütigen Verbeugungen ging sie rückwärts bis zur Tür und hinaus. Der Richter wandte sich jetzt an den Sekretär, und in gemessenem Ton, keineswegs ironisch, riet er ihm, die Tasten der Schreibmaschine ruhen zu lassen – habe er nicht bemerkt, daß das Papier auf den Boden gefallen war und er auf der leeren Walze tippte? Feuerrot stotterte Dr. Zelaya, das Vorgefallene habe ihn sehr verwirrt. Dr. jur. Barreda y Zaldivar lächelte ihm zu:
»Uns ist ein ganz und gar ungewöhnliches Spektakel vorgeführt worden«, philosophierte der Richter. »Dieses Mädchen hat den Teufel im Leib, und was noch schlimmer ist, sie weiß es wahrscheinlich nicht.«
»Ist sie das, was die Nordamerikaner eine Lolita nennen?« versuchte der
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