Tante Lisbeth (German Edition)
Baronin ihren Gatten geliebt wie Josephine ihren Napoleon, in bewundernder Liebe, in mütterlich-sorglicher Liebe, in feiger Liebe. Wenn sie auch die Einzelheiten, die ihr Crevel eben hinterbracht, nicht gewußt hatte, so war sie trotzdem überzeugt gewesen, daß der Baron sie seit zwanzig Jahren hinterging. Aber ganz klar hatte sie gar nicht sehen wollen. Heimlich hatte sie oft geweint, aber nie war ihr ein Wort des Vorwurfs entschlüpft. Als Dank für diese engelhafte Zartheit hatte sie die Ehrfurcht ihres Mannes geerntet. Er behandelte sie wie ein höheres Wesen. Die Zuneigung, die eine Frau für ihren Mann äußert, die Achtung, mit der sie ihn ehrt, wirkt vorbildlich auf die ganze Familie. Hortense hielt ihren Vater für das Muster eines liebevollen Ehemannes, und der junge Baron Hulot, von Kindheit an ein Bewunderer seines Vaters, in dem er einen der Paladine des großen Kaisers sah, war überzeugt, daß er seine eigene Stellung dem Namen, dem Range und dem Ansehen des Vaters zu verdanken hatte. Überdies pflegen Jugendeindrücke lange nachzuwirken. Er hatte die Ehrfurcht vor seinem Vater noch nicht verloren, und selbst wenn er die von Crevel enthüllten Seitensprünge geahnt hätte, würde er sie ehrerbietig übersehen und vom herkömmlichen Standpunkte der Männer in derlei Dingen entschuldigt haben.
Die außergewöhnliche Anhänglichkeit der Baronin, dieser vornehmen schönen Frau, erklärt sich von selbst aus ihrer Lebensgeschichte.
Im äußersten Lothringen, zu Füßen der Vogesen, waren zur Zeit der Aushebungen der jungen französischen Republik (1792) drei Brüder namens Fischer, alle drei einfache Landleute, zur sogenannten Rhein-Armee ausgehoben worden. Im Jahre 1799 vertraute der zweitälteste, Andreas, der verwitwete Vater der nachmaligen Baronin Hulot, sein Kind der Fürsorge seines ältesten Bruders Peter an, der im Jahre 1797 infolge einer Verwundung invalid geworden war. Andreas zeichnete sich bei einem besonders wichtigen Nachschubunternehmen aus und erwarb sich die Gunst des Armee-Intendanten Hulot von Ervy. Wie das ganz natürlich ist, lernte dieser bei einem Aufenthalt in Straßburg die Familie Fischer kennen. Adelines Vater und sein jüngster Bruder waren zu der Zeit Inspektoren am Verpflegungsamt im Elsaß.
Adeline war damals sechzehn Jahre alt. Man konnte sie mit der berühmten Madame Dubarry vergleichen, die ja auch Lothringerin war. Sie war wirklich eine blendende Schönheit vom Schlage der Frau Tallien, ein Sonntagskind der Schöpfung. Vornehmes Wesen, edler Sinn, Anmut, Verstand, Eleganz, alles das war ihr in der geheimnisvollen Werkstatt der Natur in einem wundervollen Körper zuteil geworden. Gewisse Frauen gleichen sich wie Schwestern. Man denke an Bianca Capella, deren Bildnis eins der Meisterwerke Bronzinos ist, oder an die Venus des Jean Goujon, deren Urbild die berühmte Diana von Poitiers war, an Signora Olympia, deren Porträt in der Galerie Doria hängt, oder an Ninon de Lenclos, Madame Dubarry, Madame Tallien, Mademoiselle Georges, Madame Récamier, kurz an alle die Frauen, die trotz ihrer Jahre, ihrer Leidenschaften und ihrer Abenteuer schön geblieben sind. Sie haben in ihrer Gestalt, ihrem Bau, dem Typus ihrer Schönheit überraschende Ähnlichkeiten. Man möchte glauben, es flösse im Ozean der Generationen ein venusinischer Strom, aus dem die Aphroditen der Weltgeschichte geboren werden, Töchter ein und derselben Salzflut. Adeline Fischer war eine der Zierden dieses Göttergeschlechts.
Der Armee-Intendant verliebte sich auf der Stelle in diese blonde Eva und machte sie, sobald sie so alt war, wie es das Gesetz vorschreibt, zu seiner Frau, zur größten Überraschung der Familie Fischer, die in ihren Vorgesetzten höhere Wesen zu sehen gewohnt war. Der älteste Fischer, Peter, der beim Sturm auf die Stellung bei Weißenburg schwer verwundet worden war, vergötterte den Kaiser und alles, was mit der Großen Armee zusammenhing. Andreas und Hans sprachen nur voller Ehrfurcht vom Armee-Intendanten Hulot, dem Günstling Napoleons. Überdies war er der Schöpfer ihres Glücks; denn Hulot, der ihre Klugheit und Rechtschaffenheit erkannte, hatte sie in die Verwaltung gebracht. Während des Feldzugs von 1804 hatten sie, wie bereits gesagt, gute Dienste geleistet. In der folgenden Friedenszeit hatte ihnen Hulot jenen Posten im Elsaß verschafft, ohne zu ahnen, daß er später selber nach Straßburg befehligt werden würde, um dort den Feldzug von 1806 vorzubereiten.
Der
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