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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bereit. Man machte sich oftmals über sie lustig, niemals aber schämte man sich ihrer. So lebte sie schließlich in Paris leidlich selbständig und nach ihrer Weise.
    Lisbeth fürchtete jedwedes Joch. Wenn die Kusine ihr anbot, bei ihr im Hause zu wohnen, fühlte sie sich sofort geknechtet. Verschiedene Male wäre dem Baron die schwierige Aufgabe, sie zu verheiraten, doch noch geglückt. Zunächst ließ sie sich jedesmal bestechen; doch bald schlug sie die Bewerbung aus, weil sie vor dem Gedanken zurückschauderte, man könne ihr alsbald ihre mangelhafte Erziehung, ihre Unwissenheit und ihre Vermögenslosigkeit vorwerfen. Selbst den Vorschlag der Baronin, bei ihrem Onkel zu leben und ihm an Stelle einer sehr kostspieligen Hausdame die Wirtschaft zu führen, lehnte sie ab. Sie begründete das damit, daß sie sich dann gleich gar nicht verheiraten werde.
    In ihren Ideen zeigte Tante Lisbeth gewisse Sonderlichkeiten, die man bei allen spät entwickelten Naturen beobachtet, auch bei einsamen Menschen, die viel denken und wenig sprechen. Ihr Bauernverstand hatte übrigens durch die Unterhaltungen in den Werkstätten und durch den Umgang mit den Handarbeitern und Arbeiterinnen pariserische Schärfe bekommen. Ihr Charakter hatte ungemein viel Korsisches an sich; ihr starker Betätigungsdrang sehnte sich nach Befriedigung. Und so hätte sie sich am liebsten zur Beschützerin eines schwächlichen Mannes gemacht. Gebunden an die Großstadt, unterlag ihr äußeres Leben ihren Einflüssen. Ihre mürbe gewordene Seele nahm den matten Pariser Glanz an. Stark empfindlich wie alle wirklich Ehelosen wäre sie wegen ihrer Verbissenheit in jeder andern Stellung zu fürchten gewesen; böse, wie sie war, hätte sie den festesten Familienkreis zerstört.
    Während der ersten Zeit, als sie noch gewisse Aussichten hatte, in die sie jedoch niemanden einweihte, hatte sie sich dazu verstanden, modische Kleider und Korsetts zu tragen. Damals erlebte sie eine kurze Zeit des Glanzes, während der man ihre Verheiratung für möglich hielt. Lisbeth war da die pikante Brünette aus dem alten französischen Roman. Ihre lebhaften Augen, ihr olivenfarbener Teint, ihr straffer Körper hätten wohl einen älteren Beamten oder Pensionär reizen können; aber sie begnügte sich damit, wie sie lächelnd zu sagen pflegte, sich selber zu bewundern. Im Grunde war sie mit ihrem Leben auch ganz leidlich zufrieden. Wirtschaftliche Sorgen hatte sie keine mehr, und wenn sie auch mit Tagesanbruch zu arbeiten anfing, so ging sie doch regelmäßig zur Hauptmahlzeit in die Stadt. Sie hatte nur für das Frühstück und ihre Miete zu sorgen. Im übrigen versah man sie sowohl mit Kleidern als auch mit allen möglichen Vorräten wie Zucker, Kaffee, Wein und dergleichen.
    Im Jahre 1837, nachdem sie siebenunundzwanzig Jahre zur Hälfte von der Gnade der Familie Hulot und ihres Onkels Fischer gelebt hatte, verzichtete Tante Lisbeth darauf, irgend etwas vorzustellen. Sie ließ sich nunmehr sehr leicht behandeln. Zu den großen Gesellschaften kam sie von selber nicht; sie zog die trauliche Geselligkeit vor, die ihr gestattete, zur Geltung zu kommen, und ihr Kränkungen der Eigenliebe ersparte. Überall gehörte sie zum Hause: beim General Hulot, bei Crevel, bei den jungen Hulots, bei Rivet, Pons' Nachfolger, mit dem sie sich wieder versöhnt hatte und von dem sie verwöhnt wurde, sowie bei der Baronin. Auch wußte sie sich überall bei den Dienstboten beliebt zu machen, indem sie ihnen von Zeit zu Zeit ein kleines Trinkgeld in die Hand drückte und immer ein Weilchen mit ihnen plauderte, ehe sie in die Zimmer trat. Diese Vertraulichkeit, durch die sie sich mit diesen Leuten auf eine Stufe stellte, verschaffte ihr deren Gewogenheit und Dienstbarkeit, etwas sehr Wichtiges für Schmarotzer, und das war sie doch nun einmal. »Sie ist eine alte gute Haut!« hieß es ganz allgemein. Ihre, besonders da, wo man sie gar nicht beanspruchte, oft grenzenlose Gefälligkeit war ebenso wie ihre scheinbare Gutmütigkeit eine natürliche Folge ihrer abhängigen Stellung. Kurzum, sie fand sich mit dem Leben ab, da sie sah, daß sie doch von aller Welt abhing. Sie hielt es mit allen. Mit den jungen Leuten war sie vergnügt; man fand sie nett und fiel allgemein auf ihre schmeichlerische Art hinein. Sie erriet und förderte alle Wünsche; sie machte sich zur Vermittlerin und spielte überall die gute Helferin. Ein Recht, selber etwas zu wollen, hatte sie ja nicht. Ihre unbedingte Verschwiegenheit

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