Tanz auf dem Regenbogen
warf einen gigantischen Schatten über 199B Vandam Street. Bereits vor der Rückkehr der trauernden Göttin Stephanie aus Nassau, waren die Stimmung im Loft und die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Mann und Katze überraschend unterkühlt. Es war natürlich klar, daß die Katze keine besonders große Vorliebe für Stephanies Enfants hatte, trotzdem war offensichtlich, daß sie mit Hilfe ihrer Jahrtausende alten felinen kulturellen Sensibilität erkannt hatte, daß unsere kleine Welt auf unabänderliche Weise um vieles ärmer geworden war.
Was mich anbelangte, ich erkannte mit Hilfe meiner Jahrtausende alten schwerfälligen humanen Idiotie, daß alle Kreaturen Gottes, gleich ob klein oder groß, sterblich waren. Wenn jemand, der so klein und harmlos und unschuldig war wie Pyramus sterben konnte, überlegte ich, konnte das auch jemand, der so groß und harmlos und unschuldig wie McGovern war. In dieser, unserer besten aller möglichen Welten war alles ineinander verstrickt, wie ein billiges Sweatshirt, das in Kinderarbeit in Pakistan hergestellt worden war. Am späten Nachmittag war ich in einem Zustand, den Billy Joe Shaver »slow-rollin low« nennen würde. Ich war mir nicht ganz sicher, wo Pyramus endete und McGovern begann, oder ob es etwa umgekehrt war.
»Wir können der kleinen Pyramus nicht mehr helfen«, bemerkte ich später am Abend zur Katze, »aber es muß etwas geben, das wir tun können, um McGovern zu helfen, es sei denn, er ist wirklich Bodysurfen auf Maui.«
Die Katze schien die Angelegenheit kurz abzuwägen, schloß dann die Augen und schlief wieder auf ihrem Lieblingsschaukelstuhl ein. Eigentlich handelte es sich um den einzigen Schaukelstuhl im Loft. Es war jedoch nicht der einzige Stuhl. Meine Augen wanderten durch den Raum, hinüber zu dem großen zu weich gepolsterten Sessel, den McGovern mir einst geschenkt hatte. Rambam hatte später angemerkt, daß es meinem Image nicht gerade förderlich war, ein Erbstück von McGovern anzunehmen. Ich mußte an McGoverns letzten Besuch denken und erinnerte mich, daß er genau in diesem Sessel gesessen hatte. Es war ein alter Sessel und McGoverns großer Torso versank darin ein ganzes Stück weiter, als er offensichtlich erwartet hatte, mit dem Resultat, daß er ungefähr fünfzehn Zentimeter über dem Fußboden saß und man den ganz entschieden komischen Eindruck hatte, der Sessel hätte McGovern verschluckt.
»Einheimischer verschwindet in Sessel«, hatte McGovern damals gesagt.
Jetzt war der Sessel natürlich leer, genauso wie das Gefühl in meinem Herzen. Es waren mehr als 48 Stunden verstrichen, seit McGovern verschwunden war. Laut den Richtlinien der New Yorker Polizei galt McGovern jetzt offiziell als vermißte Person. Oder mußten die Bullen 72 Stunden warten? Ich war mir nicht mehr ganz sicher. Ich mußte das mit Rambam klären, aber Rambam war, unter praktischen Gesichtspunkten betrachtet, im Moment selbst eine vermißte Person. Er war in Israel, probierte Jarmulken oder hatte Sex mit einem Kamel, was McGovern gerade ebenso viel weiterhalf wie einen Mann in New York, der eine Zigarre rauchte, einen Espresso schlürfte und sich mit einer Katze unterhielt.
»Es ist an der Zeit, sich an die Autorität zu wenden«, sagte ich zu der Katze, »aber an welche Autorität?«
Die Katze warf mir einen kurzen, grünen, zweifelnden Blick zu. Sie hatte Autorität schon immer in Frage gestellt. Das war eine Stammeseigenschaft.
»Hawaii liegt nur geringfügig außerhalb des Zuständigkeitsbereiches von Sergeant Cooperman und Sergeant Fox. Vielleicht sollten wir Jack Lord anrufen.«
Die Katze sagte natürlich nichts.
»Du erinnerst dich an Jack Lord«, flehte ich die mittlerweile friedlich schlafende Katze an. »Hawai Fünf-Null. Book ‘em Danno.«
Ich lief bereits wie ein Besessener im frostigen Wohnzimmer meines Lofts hin und her, meine nervöse, schizophrene, sherlock’sche Energie als fast perfekter spiritueller Gegenpol zum gelassenen, schläfrigen, um nicht zu sagen stinkfaulen Ruhezustand der Katze. Ich paffte an meiner Zigarre wie der Zug, der über die Brücke am Kwai stürzte, und wurde immer aufgeregter, fast vergaß ich die Musik und das Stampfen aus Winnies Tanzstudio, das direkt über meinem Kopf eingesetzt hatte.
Mentale Gesundheit hin oder her, das Bild, das ich vor mir sah war kein schönes: die Flammen aus dem Kamin tauchten den Loft in einen wilden, höllischen Glanz. Der schwarze Negerpuppenkopf grinste mich krank vom
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