Tanz der Aranaea (German Edition)
wahrscheinlich aus verbotener Liebe vom Blitz getroffen wurden. Ich drehte das Radio auf und begab mich in das Badezimmer, zog meine verschmutzen Kleider aus, legte mir ein großes Badetuch um die Hüften und reichte Wodaabe meine Kleider durch den Türspalt. Sie nahm meine Klamotten und rauschte mit wehendem Haarbüschel von dannen. Aus dem Radio heulte ein Sänger seiner verlorenen Liebsten nach. Schlimm war dieses Gejammer. Die meisten Liebeslieder in der Welt handelten von ewiger Treue, zurückgewiesener oder unerfüllter Liebe, doch niemand schaffte es, dies mit einer derart schmerzvollen Stimme zum Ausdruck zu bringen, als die lieben Araber. Der Sänger wollte jeden Tag sterben für seine unerreichbare Geliebte. 365 Tage im Jahr sterben, wollte er. Während der Sänger es immer wiederholte, sagte ich laut zu dem Radiogerät: »Achmad, einmal im Jahr sterben reicht auch, wir wollen doch nicht übertreiben.«
Das Türschloss rastete ein, und ich war wieder alleine. Diese Situation schien mir, seit ich in der Kabylei war, gehörig über den Kopf zu wachsen. Ich war mir fast sicher, dass meine Anreise mit der Eisenbahn nach Bejaia, mein größter Fehler war. Man kam einfach mit zu vielen Menschen in Berührung. Bei dem Einen, war man zu leutselig, und Quatschte mehr als gut war, wie bei Mehdi Hamillah, bei dem Anderen, laberte
man irgend ein tiefsinniges Zeug daher, wie bei Moulud Dhabou, den „Museums-Psychologen“, und hier bei Marie-Claire ging es schon nach einer Stunde Aufenthalt zu wie bei einer südeuropäischen Provinz Familie.
Ich werde nie ein knallharter Agent, bin einfach ein zu feiner Junge, resümierte ich für mich. Die Leute trauten mir nichts Böses zu, und nach wenigen Worten, die sie mit mir wechselten, legten sie den Hals frei und quatschten ihre Seele frei. Vielleicht war es auch besser so, jedenfalls konnte man sich noch morgens beim Rasieren im Spiegel ansehen, auch wenn es zunehmend schwerer wurde. Immerhin, war ich schon vierzig Jahre alt - seit vorletztem Jahr!
Lefebre, das Schwein, wäre bestimmt anders vorgegangen. Der hätte sich gleich mit einem Boot irgendwo an der Küste von Bejaia aussetzen lassen. Ich wäre doch besser gleich mit der „Angel of Paradise“ nach Bejaia gefahren und hätte mich in die Berge um Bejaia verkrochen, welche einen sehr guten Ausblick auf den Hafen gewährten. Zouzou und Sabi Loulou wollten mich nicht alleine operieren lassen, wie es ihnen Harry damals aufgetragen hatte. Sie setzten mich einfach in die Eisenbahn und dann mal sehen was der Tonton und Cnollo in Personalunion daraus machte. Ich bin ungerecht zu ihnen, dachte ich während ich in die Badewanne stieg. Ich musste sehen, wie sich mein Auftrag so unkompliziert wie möglich abwickeln ließe und außerdem hatte ich Sehnsucht nach den Beiden, obwohl wir uns erst heute Morgen verabschiedet hatten. Mein Badewasser wurde immer kälter. Die Wasserleitung gab auch nichts Warmes an Wasser her.
Schluss mit sinnieren, dachte ich, und rein in den zu kurzen Bademantel mit jede Menge Rüschen am Revers, der wahrscheinlich Marie-Claire gehörte und immer noch gewaltig nach Parfüm roch. Zu eng war er außerdem. Jetzt fehlten mir nur noch bunte Lockenwickler, und ein Muezzin, der vom Minarett herunter lauthals verkündet, dass bei Marie-
Claire die Bude brennt, und ich in solchem Aufzug auf die Straße rennen müsste. Man würde mich für eine nicht mehr
ganz junge Pariser Schwuchtel halten, über die sich kein Geheimdienst dieser Erde, und auch kein einziger Kabyle, Gedanken machen müsste. Weder über meine Zuverlässigkeit noch über meinen Aufenthalt in Nordafrika.
Als ich die Badezimmertür öffnete, sah ich Marie-Claire und Wodaabe an dem kleinen Tisch stehen, in der Nähe der Hausbar, und wie sie mir ein Essen auftrugen. Sie sahen mich verwundert an, und Wodaabe konnte sich plötzlich nicht mehr beherrschen und schrie vor Lachen als sie mich in meiner Montur sah. Marie-Claire verlor ebenfalls die Fassung, und kurz darauf saßen wir zu dritt auf der Bettkante und brüllten allesamt vor Lachen.
»Ich kann es einfach nicht glauben Francesco, dass Sie ein gefährl... «, mitten im Satz unterbrach sich erschrocken Marie-Claire, und verlegen wie ein kleines Schulmädchen brachte sie ihre Rede in eine andere Richtung, » … ihre Mahlzeit, Francesco. Lassen Sie es sich gut schmecken! Ich ging auf ihre unterbrochene Äußerung nicht ein, und ich ließ mir auch nichts anmerken. Irgendwann würde sie
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