Tanz der Dämonen
das dunkle Innere des Schiffsrumpfes, und die Luke wurde sorgfältig wieder verschlossen. Dumpfer Geruch von nassem Holz umgab uns.
»Na los«, sagte Ahasver. »Da entlang.«
Es ging über eine Planke in die Höhlung des einstigen Laderaums. Da brannte in eisernem Becken ein Feuer, das von draußen nicht zu bemerken war. Ein paar Gepäckstücke lagen daneben, und aus Decken und Stroh waren drei Schlafstätten hergerichtet. Die bemerkte ich aber erst später, weil zunächst die magere Gestalt, die neben dem Feuer kauerte, meine Aufmerksamkeit beanspruchte.
»Pietro«, rief ich. »Was ist mit dir?«
Er wandte sich erst jetzt zu uns um und stieß einen Ruf der Überraschung aus.
Irgendetwas wie: Kat, wo kommst du denn her? Verstehen konnte ich es nicht, denn die Worte wurden von einem dicken Tuch verschluckt, das er sich gegen Mund und Nase presste.
»Geht’s besser?«, fragte Ahasver ohne besondere Anteilnahme. »Der Herr hat nämlich auch einen Alleingang riskiert«, fuhr er, halb zu mir gewandt, fort.
»… eben Pech gehabt …«, könnte das geheißen haben, was Pietro als Entgegnung nuschelte.
»Pech!«, sagte Ahasver. »Pech ist das, was einem, der sein Handwerk versteht, trotzdem zustoßen kann. Du bist ein Stümper! Spielt Karten mit drei spanischen Soldaten und glaubt, er könnte sie reinlegen. Sei froh, dass du deinen Kohlkopf noch auf dem Strunk hast!«
»Es sah wie eine gute Gelegenheit aus.«
»Der Weg zur Hölle ist mit guten Gelegenheiten gepflastert!«
Ich hatte gar nicht mehr gewusst, wie sehr mir ihr Herumstreiten gefehlt hatte!
Es gab zum Abendbrot Hirsegrütze und getrockneten Fisch. Mehr als an manchem anderen Abend, den ich mit ihnen unterwegs gewesen war, aber entschieden weniger als an guten Abenden bei meinen Bettlerfreunden. Ich war’s jedoch zufrieden. Pietro, der ohnehin keinen Appetit hatte, ließ sich von mir das lädierte Gesichtmit Eisstücken kühlen, die ich am Ende des Schiffsraumes von den Planken losgebrochen hatte.
Ahasver aß kaum etwas. Er saß am Feuer und stocherte mit einem Stock in der Asche herum. Ab und zu wurde ich gewahr, dass er mich von der Seite anblickte, wenn er zu glauben schien, ich merke es nicht. Sobald ich mich jedoch umwandte, schaute er weg. Er verlor kein weiteres Wort über das, was wir an diesem Abend erlebt hatten, und das veranlasste mich, ebenfalls davon zu schweigen, auch hier unter Freunden, obwohl er das gar nicht von mir verlangt hatte. Es war etwas Seltsames mit mir und dem Alten. Ich war befangen in seiner Gegenwart. Eine Art Scheu befiel mich. Dennoch hätte ich es niemals Angst genannt. Es war wohl das Ungewisse, das zwischen uns stand, diese Aura von Heimlichkeit und Verdacht; zu viel blieb unausgesprochen und sammelte sich zu einer Last, die kaum noch abzuschütteln war. Immer, wenn er sich zu öffnen schien, hielt mich eine warnende Stimme zurück, darauf einzugehen, doch manchmal empfand ich mein Schweigen wie einen Verrat. Natürlich dachte ich an das, was Bär und Knaller gesagt hatten. Konnte er mein Vater sein? Ich wusste die Möglichkeit nicht zu widerlegen, aber ich verwarf sie.
Er benutzt mich, dachte ich immer wieder. Was aus mir wird, ist ihm gleichgültig. Dann aber: Ich bedeute ihm doch etwas. Er würde vielleicht gerne sprechen. Wenn ich ihm nur trauen könnte!
Ahasver hob den Kopf und schien auf das Geräusch der Eisschollen zu horchen. »Es kommt noch viel Eis den Strom herunter«, sagte er, ohne dabei einen von uns unmittelbar anzusprechen. Und halblaut fügte er hinzu: »Und mancher, der jetzt herumgeht, wird den Frühling nicht mehr erleben …«
Er stieß seinen Stock in die Glut und erhob sich wie einer, der einen schwarzen Gedanken abwehren muss.
»Ist das Seil an seinem Platz?«, fragte er Sambo.
»Ist fest.«
Ahasver nickte und zog sich in das Dunkel des Schiffsraumes zurück, wo sein Nachtlager hergerichtet war.
»Was für ein Seil?«, fragte ich.
»Ein Seil am Eingang«, antwortete Sambo. »Wenn einer hereinwill, rührt er es an und wir hören ihn.«
Sambo beugte sich über ein Geschirr aus Lederriemen, das er mit Nadel und Faden zu flicken versuchte. Er benutzte dazu einen Handschuh mit einer Eisenverstärkung, wie ihn die Schuhmacher haben. Ich glaubte dieses Riemenwerk zu kennen. »Von Barbaro?«
Er nickte.
»Dann sehen wir ihn wieder? Er kommt wieder zu uns?«
»Weiß nicht.«
»Wo ist er jetzt?«
»Er hat ihn weggegeben. Verkauft.«
»Der Alte?«
»Wer sonst?«
»Schon
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