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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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lange?«
    »Gleich als du fort warst.«
    »Und dann seid ihr hierher gekommen?«
    Er nickte. »An einen schlechten Mann«, sagte er, den vorherigen Gedanken fortsetzend.
    »Und er? Ist er schon länger … so?«, fragte ich mit einer Kopfbewegung in Ahasvers Richtung.
    Sambo tat einen schweren Atemzug. »Wir wissen kaum noch, wo er ist. Spricht nicht mit uns. Hat Sorgen, glaub ich.«
    Pietro, der stumm zuhörte, schüttelte warnend den Kopf.
    »Er hört uns nicht«, sagte ich. »Er schnarcht.«
    Pietro schien nicht überzeugt, aber er beließ es dabei.
    »Siehst ja selbst, was wir essen«, sagte Sambo. »Verstecken uns vor aller Welt. Schlafen in diesem Loch. Was willst du noch wissen?«
    »Gebt ihr noch immer keine Vorstellung? Die Stadt ist voller Leute wie wir, die gute Geschäfte machen.«
    »Verdienen sich ’nen goldenen Arsch!«, setzte Pietro undeutlich hinzu. »Aber wir hocken herum und ziehen die Köpfe ein.«
    »Warum seid ihr bei Mutter Gluck weg?«
    »Wissen wir nicht«, sagte Sambo. »Du warst gegangen …«
    »Er hat mir keine andere Möglichkeit gelassen!«
    » … da ist er wie vergiftet gewesen. Hat geflucht und gebrüllt. Durften nicht mal den Karren mitnehmen. Keine Ahnung, was dahinter steckt. Weißt du es denn nicht?«
    »Ich weiß nur, dass er anders geworden ist.«
    Ich dachte daran, wie viel Ahasver früher mit uns geredet hatte und wie er Pläne geschmiedet hatte – in den Monaten, als wir über Land zogen. Er hatte immer düstere Anwandlungen gehabt und manchmal tagelang kaum gesprochen, aber das war nie so gewesen wie jetzt. Er kam mir vor, als sei er von einem Dämon besessen, der alle seine Energien aufzehrte. Er wirkte um viele Jahre älter als vor kurzem noch. Andererseits musste ich staunen, welche Kraft trotzdem in ihm steckte. Seine Beinverletzung schien ihm nichts mehr auszumachen. Und dann dieser Kampf auf dem Turm: Selbst ein viel jüngerer Mann hätte sich anstrengen müssen, um es diesem eisenharten Greis gleichzutun! Er war mir ein Rätsel, mehr als je zuvor.
    Sambo nahm die Arbeit an dem Riemengeschirr wieder auf. Es schien jedoch, als sehe er plötzlich keinen rechten Sinn mehr darin. Er machte lange Pausen und starrte abwesend ins Feuer, ähnlich wie es vorher Ahasver getan hatte.
    Wir schwiegen lange. Dann blickte er mich plötzlich mit überraschender Munterkeit an und sagte: »Lass es nur erst Frühling werden. Der Winter ist zu lang dieses Jahr. Da geht einem der Mut aus. Aber der Frühling kommt! Dann wirst du sehen: Alles wird wieder so, wie es sein soll.«
    Pietro hatte sich auf sein Lager zurückgezogen und das Tuch um seinen Kopf gewickelt. Vor sich legte er bunte Karten aus. Die rätselhaften, abgegriffenen Blätter, über die er früher manches Mal mit mir gesprochen hatte.
    Das ist ein gutes Zeichen, dachte ich. Die Karten habe ich lange nicht mehr gesehen. Wenn er die hervorholt, denkt er an die Zukunft.
    Etwas später rollte ich mich in meine Decke und legte michzum Schlafen nieder. Ein leises Klingeln und Scheppern spielte in meinen Ohren. Das war nicht vom Eis. Sambo machte dieses Geräusch; er nähte kleine blanke Schellen an das Riemenzeug für den Bären.
    »Insel«, flüsterte ich ganz leise. Das also war der Sinn des Wortes gewesen, das Sambo bei Mutter Gluck für mich zurückgelassen hatte. Werthchen bedeutet in der Mundart dieser Stadt: kleine Insel.
     
    Es war Morgen. Pietro und ich saßen beim Frühstück. Es gab nichts anderes als aufgewärmte Reste der Grütze vom Vorabend. Ahasver und Sambo waren fortgegangen, ehe ich wach wurde. Wohin und warum, war auch Pietro nicht bekannt.
    Er fragte nicht, aber ich ahnte seinen Wunsch, etwas über meine Erlebnisse in der Zwischenzeit zu erfahren. Also erzählte ich ihm einiges, natürlich nicht alles.
    »Ich wusste, dass du in Gefahr warst«, sagte er, als ich geendet hatte. »Die Karten haben es gesagt. Ihre Botschaft ist freilich nicht immer klar. Manchmal scheint sie widersprüchlich. Es kommt nicht selten vor, dass wir sie missverstehen. Aber das liegt immer an uns selbst.«
    Als hätte ich ihn dazu aufgefordert, zog er die Blätter hervor und ließ mich einige aufdecken.
    »Und – was sagen sie?« Wollte ich das wirklich wissen?
    »Das scheint mir deutlich genug«, nuschelte er nachdenklich. »Da sind die großen Arkana , das heißt: die großen Geheimnisse. Da kann kein Zweifel sein. Siehst du? Da ist der Narr!«
    »Das bin wohl ich?«
    »Vielleicht. Der Narr ist außerhalb der Ordnung. Er kann für

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