Tanz der Dämonen
sein, wie er wollte … Er ist tot!«
»Darüber solltest du dich nicht beklagen!«
Fenster gingen auf, und Leute schauten neugierig aus den Türen.
Ahasvers Gesicht nahm sofort den gewohnten mürrischen Ausdruck an, und er raffte die Kapuze wieder zusammen.
»Spiel nicht Theater!«, knurrte er. »Komm weiter!«
Wir bogen in eine Seitengasse ein und ließen die Gaffer hinter uns. Dann blieb der Alte stehen. Er stieß mich in die Seite und sagte: »Was gebe ich mich überhaupt ab mit dir! Warum läufst du mir nach? Hast du dich nicht von mir losgesagt?«
Ich schluckte und besann mich. »Dann wird es besser sein …«
»Am besten wird es sein, wenn ich dich wieder in meine Obhut nehme!«
Mein dummes Herz machte einen Satz. »Einfach so?«
»Ich kenne deinen Dickkopf. Er steht dem meinen nicht nach. Wir werden damit leben müssen.«
»Dann komme ich mit!«
»Gut. Pietro und Sambo werden sich freuen. Lass uns sehen, welchen Unsinn die zwei inzwischen angestellt haben. Und halt jetzt den Mund.«
Jedenfalls würde ich auch weiterhin tun, was ich für richtig hielt.
Die Flammen fauchten und züngelten im Wind. Ich stand bei den Fackeln, die am Hafentor aufgesteckt waren, damit sie im Dunkel der Nacht erkennbar machten, wo das feste Ufer endete und der Strom mit seinem schwarzen Wasser begann. Ahasver sprach halblaut mit den Torwachen. Dann winkte er mir, und wir gingen außerhalb der Mauer flussaufwärts. Die Luft war schneidend kalt, und Eis trieb auf dem Rhein. Die Schiffe, die am Ufer lagen, waren hinter den schützenden Balkensperren zusammengezogen worden; davor stauten und schichteten sich die kantigen Schollen; sie stießen und rieben sich mit Ächzen und Knarren, und manchmal bekam eine kompakte Masse von aufgetürmtem Eis das Übergewicht und rutschte dröhnend und klirrend ins schaumige Wasser zurück. Ahasver schien dieses Schauspiel zu genießen.
»Da kommt ein ganzes Schollenfeld!«, rief er beispielsweise, oder: »Schau dir den Strudel an. Was da hineingerät, ist Kleinholz!«
Man hatte die Radmühlen, die vor ein paar Tagen noch draußen im Strom verankert gewesen waren, ans Ufer geholt. Sie lagen im Schutz der Insel vertäut, die man das Werthchen nennt. Die Schiffswerften waren über Winter stillgelegt. Hier, wo das Wasser ruhig und nur leise glucksend dahinfloss, hatten die Schiffer zahlreiche Boote und Kähne ans Ufer gezogen, so dass ihre Rümpfe ganz oder teilweise auf dem Trockenen lagen. Manche sollten wohl zumFrühjahr ausgebessert werden. Andere kamen offenbar nur noch für den Abbruch in Betracht.
»Keine Schifffahrt mehr seit vorgestern«, sagte Ahasver. »In früheren Jahren soll es vorgekommen sein, dass der Rhein bis zur Mitte zugefroren ist. Kaum vorstellbar!« Ich musste denken, dass der Alte befremdlich selbstzufrieden und für seine Verhältnisse fast vergnügt wirkte. Gar nicht wie einer, der vor kurzer Zeit erst einen Menschen vom Leben zum Tode befördert hatte – wenn es auch, nach allem, was ich darüber wusste, geschehen war, um einen Freund aus höchster Not zu retten.
Am Ende der Stadtmauer hob sich der schroffe Umriss eines mächtigen Turms ab; ich erfuhr, dass er den Namen Bayenturm trug. Hier war das Wasser bis zur Insel zugefroren, und drüben lagen ein paar große hölzerne Schiffsrümpfe, die wohl nur noch als Brennmaterial dienen konnten. Einige waren ganz auf die Seite gerollt und kamen mir vor wie die starren Kadaver riesiger Tiere. Zu einem dieser Ungetüme lenkte Ahasver seine Schritte über das Eis.
»Was ich jetzt tue, solltest du dir gut merken«, sagte er. »Dass du mit keinem darüber redest, brauche ich wohl nicht zu sagen, oder?«
»Ich hab schon verstanden«, erklärte ich und setzte im Stillen hinzu: Wieder ein Geheimnis. Du hast mehr davon als andere Leute Flöhe.
Er trat zu einem Lukendeckel, der im Schatten der Rumpfwölbung lag, und klopfte mit seinem Stock dagegen.
»Ich bin es«, flüsterte er. »Sator Arepo…«
»Tenet Opera Rotas«, kam es dumpf von drinnen. Die uralte, rätselhafte Formel, die vorwärts und rückwärts gelesen gleich lautet!
Die Planken ließen sich mit Leichtigkeit öffnen. Mein Herz klopfte froh: Ich erkannte Sambo! Aber was tat er da? Er hatte hinter dem Eingang gekauert. Jetzt erhob er sich zu seiner ganzen Größe und legte einen keulenartigen Prügel zur Seite.
»Kat!«, sagte er. »Was für eine Freude, dich zu sehen!« Und grinsend fügte er hinzu: »Man kann nie wissen, wer kommt.«
Wir stiegen in
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