Tanz der Dämonen
Zitternd und außer Atem erreichte ich das Feuer meiner Freunde und duckte mich rasch, um keinem mehr ein Ziel für seinen Ärger zu geben.
»Angerempelt, wie?« Das war die Stimme von Bär. Er saß aufrecht neben den glimmenden Holzscheiten und schien mich erwartet zu haben. »Das sind nicht alles freundliche Menschen«, sagte er gleichmütig. »War dir das nicht klar? Hast du etwa geglaubt, du hättest hier lauter Freunde? Die meisten sind Dreckskerle undHalsabschneider. Manche gemeine Diebe. Einige würden die eigene Mutter ausnehmen, wenn es sich lohnen würde. Sie kennen keinen Gott und kein Gebot, und die wenigsten schrecken vor irgendetwas zurück. Das sollte man wissen …«
»Ich bin kein Wickelkind mehr!«
»Du bist noch ziemlich grün hinter den Ohren, und du bist nicht das, als was du erscheinen möchtest. Vergiss das nicht! Die spüren deine Unsicherheit und schnappen zu wie bissige Köter.«
Ich zuckte die Schultern und versuchte, unbeeindruckt und abweisend auszusehen, bis mir bewusst wurde, dass ich wieder einmal seine Blindheit nicht bedacht hatte.
»Man könnte meinen, du wärst nicht blind«, sagte ich rasch. »Und nicht betrunken.«
»Ich bin nie betrunken«, sagte er. »Du weißt noch immer nicht viel über mich.«
»Mag sein. Ich weiß auch nicht viel über mich selbst.«
Er grinste und faltete die Hände über dem rundlichen Bauch. »Aber du lernst täglich dazu, habe ich Recht?«
»Ich frage mich, ob ich überhaupt mehr wissen will. Vielleicht habe ich schon mehr herausgefunden, als gut für mich ist.«
»Du hast deinen Vater gefunden. Das sollte dir reichen. Wenn er es denn ist …«
»Ich habe keine Ahnung, wer er wirklich ist und was er tut. Ich weiß nicht, warum er sich zuerst versteckt hat, und ebenso wenig, warum er mich jetzt bei sich haben will. Falls es überhaupt wahr ist, dass er das will …«
»Aber er weiß genau über dich Bescheid.«
»Das ist es ja gerade. Es scheint, er hat mich im Auge behalten, seit ich in der Stadt bin. Erinnerst du dich an die drei Kerle, die uns in der Nacht verfolgt haben? Und an den vierten, der hinter ihnen kam?«
»Den ihr nicht sehen konntet?«
»Aber gehört haben wir was! Weißt du noch, wie das geklimpert hat? Er war es! Ich habe es wiedererkannt, dieses Geräusch. Er trägtdas Skorpionamulett am Gürtel.« Ich sagte immer nur »er«. Es fiel mir schwer, den Namen zu nennen, und erst recht, »mein Vater« zu sagen.
»Vielleicht kann er nicht frei handeln«, sagte Bär. »Vergiss nicht: Es sind mehr Parteien im Spiel.«
»Ja. Und für alle bin ich wohl so eine Art Köder!«
»Er hat dich aus großer Gefahr gerettet.«
»Und dabei seinen eigenen Feind aus dem Weg geräumt!«
»Du darfst nicht alles, was er tut, als schlecht betrachten.«
»Das sagst du ? Entscheidend ist doch: Ich weiß nicht, was ich ihm glauben kann!«
»Keiner sagt dir die Wahrheit. Er nicht und dieser Ahasver auch nicht. Der Schwarze Hund hat anscheinend weniger gewusst als du …«
»Und die anderen haben mich bestenfalls einen kleinen Teil der Wahrheit sehen lassen: die beiden Herren Arndt und Pater Nabor.«
»Die sind jetzt tot.«
»Auch Herr Lennart hat mir nur gesagt, was ihm in den Kram passte. Und aus Anselmus werde ich genau so wenig schlau …«
»Anselmus?«
Ich erzählte ihm, was der von sich gegeben hatte, kurz bevor wir zu Pater Nabors Haus kamen.
»Hat er gesagt, wo sie einbrechen wollten?«
»Nein. Es war vielleicht nur wirres Zeug!«
»Ich weiß es nicht. Aber eines glaube ich: Was den anderen in die Nase sticht, ist genau dasselbe, hinter dem auch dein Grifone her ist. Sie schleichen wie Füchse um das Aas.«
Ich dachte an das Gerede vom Schatz und an das Buch, das immer wieder erwähnt worden war. Aber diese Andeutungen machten mir nur noch mehr Angst. Ich wollte nicht weiter darüber reden. Bär kam viel zu nahe an das heran, was ich längst ahnte und nicht wahrhaben wollte, dieses grässliche Verbrechen, in das alle gemeinsam verwickelt waren. Sie hatten alle Blut an den Händen!
»Kannst du mir sagen, was in der Stadt los ist?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln. Bär verzog keine Miene, obwohl er dieses Manöver zweifellos durchschaute.
»Ein großer Tag«, sagte er mit leichtem Spott. »Der neue König ist in Aachen gekrönt worden. Das wirst du wissen. Und nun ist er zurückgekommen, damit die Bürger von Köln ihm huldigen können. Er wird ihre Vorrechte bestätigen. Das ist wichtig für sie. Wahrscheinlich müssen
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