Tanz der Dämonen
die Wachsoldaten, die immer noch die Menge beobachteten. »Ich glaub, die haben mich gesehen! Verdammt, die meinen es ernst. Lass uns verschwinden, ja?«
HASVERS S TURZ
»Ich bin froh, dich unversehrt zu sehen«, sagte ich zu Pietro, als wir uns zwei oder drei Gassen vom Schauplatz der Huldigungsfeier entfernt hatten. Das kam mir von Herzen. Seit dem schrecklichen Augenblick, als er in jener Kaschemme zurückgeblieben war, litt ich unter der Frage, was aus ihm geworden sein mochte, und trug ein schlechtes Gewissen mit mir herum, weil ich ihn seinem Schicksal überlassen hatte. Nur: Was hätte ich tun können?
Er blickte mich nachdenklich an.
»Es geht schon«, sagte er vage.
Natürlich musterte ich, so unauffällig wie möglich, sein Äußeres nach Spuren von Versehrtheit. Da waren die Schürfwunden und Schwellungen, die er schon am Tag davor gehabt hatte und die sich inzwischen gebessert hatten. Außer ihnen entdeckte ich nur eine starke Beule über der Schläfe, die mit Schorf und etwas getrocknetem Blut bedeckt war. Wie es schien, hatte ihn gleich jener erste Schlag, dessen Zeuge ich gewesen war, niedergestreckt. Der Schlag war zweifellos heftig gewesen, hatte aber wohl keine gefährlichen Folgen. Er konnte jedenfalls schon wieder spotten.
»Langsam gewöhne ich mich daran, dass jeder sein Mütchen an mir kühlt«, sagte er und fügte nach einer wohl berechneten Pause hinzu: »Aber solange es wehtut, ist es nicht wirklich schlimm, und im Übrigen kümmert es wohl auch keinen, was aus mir wird …«
»Es tut mir Leid. Ich konnte nicht bleiben. Ich hatte gesehen, dass du am Leben warst und versorgt wurdest.«
»Kaltes Wasser ins Gesicht und einen Tritt in den Hintern. Aber gut. Es hätte schlimmer sein können. Sie hätten mich totschlagen können wie einen Hund.«
»Gott sei Dank …«
»Gott sei Dank bin ich ein Stehaufmännchen und fühle mich nach so einer Behandlung besonders munter!«
»Es hat tatsächlich Tote gegeben.«
»Denkst du, das weiß ich nicht? Ich gratuliere. Das hast du gut gemacht.«
»Sei nicht albern! Er hat das getan, nicht ich – äh, mit einer Ausnahme allerdings …«
»Und wer ist dieser Er? Dein Vater etwa? Darf ich das fragen?«
»Er – ist es. Er hat uns herausgehauen. Wer weiß, was sonst …«
»Wie schön! Eine Familiengeschichte. Da können Fremde nur stören!«
»Es wäre auch für dich schlechter ausgegangen, wenn er nicht eingegriffen hätte.«
»O ja. Und wer hat uns da überhaupt hineingebracht? Aber wozu sollte ich wissen, was vorgeht; es reicht doch, wenn Pietro an der richtigen Stelle den Kopf hinhält. Pietro, der Prügelknabe. Pietro, der Hauklotz. Dem kann zum Glück gar nichts was anhaben!«
Ich schwieg. An seinem Tonfall hörte ich, dass sein Ärger im Grunde schon verraucht war. Aber eins fragte ich mich doch: Warum nur waren alle wütend auf mich ?
»Na los«, sagte Pietro nach einer Weile. »Erzähl schon, was passiert ist! Ich möchte es hören. Trotz allem.«
Also erzählte ich, was ich wusste. Von den widersprüchlichen Empfindungen und von den Zweifeln, die tief in mir saßen, sprach ich jedoch nicht.
Er brummelte vor sich hin, auf eine Art, die er sich von Ahasver abgeschaut hatte, und trat für eine Weile einen Stein mit dem Fuß vor sich her, während wir durch leere Gassen gingen. Alles Volk war zum Rathaus gelaufen, und nur ein paar Alte und Kranke sowie die ganz kleinen Kinder waren in den Häusern zurückgeblieben.
»Die Kölner feiern gerne«, sagte Pietro, ohne auf das einzugehen, was er von mir gehört hatte. »Obwohl sie das ganze Pfaffengesindel und Fürstenpack am liebsten zum Orkus jagen würden. Kennst dudas Bild, wo man sieht, wie der Papst und der Kaiser vom Gottseibeiuns an den Ohren genommen werden … und davongeschleift – im Horrido! zur Hölle? Ein Luther’sches Flugblatt. Hübsche Idee …«
Ich hatte nicht viel Lust, über Bilder zu reden, und über die Kölner noch weniger; aber schon gar nicht über den Satan und seine Werke.
Mich beschäftigte etwas anderes.
»Was tut eigentlich Ahasver?«, fragte ich. »Hast du eine Ahnung, wo er steckt und was er vorhat?«
»Der Alte ist die meiste Zeit verschwunden. Er will sich auf keinen Fall in die Karten gucken lassen. So ist er eben. Du kennst ihn doch selber. Übrigens sucht er dich.«
»Und du weißt nicht, warum?«
»Vielleicht weißt du mehr als ich.«
»Hör auf. Du bist schließlich nicht auf den Kopf gefallen … Hm. Verzeih, das war keine
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