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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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ich zu der Stelle kam, wo plötzlich Ahasver auf dem Turm erschien, wollte Bär wissen, ob ich mir dieses Auftauchen erklären könne. Ich erzählte, wie ich das Einvernehmen zwischen dem Alten und Anselmus beobachtet hatte. Bär brummte unzufrieden vor sich hin. Zunge schüttelte den Kopf, weil ich mich in die Kaschemme hatte locken lassen. Als ich dann vom Kampf mit dem Schwarzen Hund und seinen Spießgesellen berichtete, zeigte Knaller seine Betroffenheit auf die ganz spezielle Art, die ihm den Spitznamen eingebracht hatte. Sonst vermieden sie jede Unterbrechung.
    »Und er sagt, er ist dein Vater?«, knurrte Bär, als ich geendet hatte.
    »Er ist es.«
    »Wie kannst du das so genau wissen?«
    »Das – ich kann es nicht sagen.« Ahnte er womöglich meine tief verborgenen Zweifel? Er war jedenfalls nicht zufrieden.
    »Erzähl mal, wie er ist«, drängte Knaller.
    Ich versuchte ihm seinen Willen zu geben.
    »Eine Narbe?«, sagte er. »Er ist ein Haudegen, bestimmt ein Halsabschneider …«
    Wie sollte ich sie überzeugen?
    »Eine Narbe habe ich auch«, sagte ich. »Hier am Arm.«
    »Wenn du genau wie er eine Narbe hast, dann muss er auch dein Vater sein«, höhnte Bär. »Ein schlagender Beweis!«
    Sie wollten mich einfach nicht verstehen.
    »Er ist Soldat«, beharrte ich. »Seine Leute nennen ihn Hauptmann.«
    »Einen Hauptmann haben auch die Räuber.«
    »Macht euch nicht über mich lustig!«
    »Lass ihn nur«, sagte Knaller. »Bei Bär merkt man, dass der Kerl mal Gerichtsdiener war. Trink auch einen Schluck.«
    »Nein, ich will nicht.«
    Da gab er die Flasche an Zunge.
    »Woher habt ihr den Schnaps?«
    »Ach, weißt du, den wirft uns Vater Noah gelegentlich von seiner Wolke herunter«, erklärte Bär grinsend, und Knaller giftete: »Auch andere Leute haben ihre kleinen Geheimnisse …«
    Es schien, dass an diesem Tag kein ernsthaftes Wort mehr mit ihnen zu reden war.
    Allerdings – wenn ich es recht bedachte, hatte auch ich vom Reden genug. »Gebt mir doch einen Schluck«, bat ich.
    »So ist es richtig«, lobte Knaller.
    Aber das Zeug schmeckte so scheußlich, dass ich es sofort wieder ausspuckte.
    Sie klopften mir auf den Rücken, bis ich zu husten aufhörte, und wollten sich ausschütten vor Lachen.
    »Nun schaut euch den Narren an!«, rief Knaller. »So ein’n trinken zu lassen is’ reine Verschwendung.«
    Ich kam wieder zu Atem und lehnte mich zurück. Dabei glitt das Handrohr unter meiner Jacke hervor. Es gab einen klirrenden Laut, als das Ding auf den Boden prallte.
    »Was ist das?«, fragte Bär argwöhnisch, ohne eine Spur von Trunkenheit in der Stimme.
    »Das ist von mir«, sagte ich ausweichend. »Nein, es ist von ihm. Grifone. Er hat es mir gegeben. Er sagt, meine Freunde würden wissen, wie man damit umgeht.«
    »Eine verdammte Donnerbüchse!«, fauchte Knaller.
    »Bleib nur weg damit«, sagte Bär. »Was dein Alter sich wohl denkt! Mit Freunden kann er nicht uns gemeint haben. Wir haben keine Ahnung von so was und wollen auch nichts damit zu tun haben!«
    »Schießt ei’m im Nu ’n Extra-Loch in ’n Arsch«, ließ sich Knaller wieder vernehmen.
    »Schon gut«, sagte ich. »Die Lunte ist ja gar nicht an.«
    Warum ließen sie mich plötzlich so viel Feindseligkeit spüren? Sie nahmen keine Notiz mehr von mir, sondern rollten sich für die Nacht in ihre Decken. Immerhin hatte Zunge auch für mich eine ausgelegt. Meine Unruhe war jedoch groß. Zu viele Fragen gingen mir durch den Kopf. Vor allem eine: Warum waren meine Freunde so skeptisch, was Grifone anging? Ihre Haltung kam mir vor wie ein Echo auf jene heimlichen Bedenken, die in mir selbst schwärten.
    Wieso machte er ein Geheimnis aus seinem wahren Namen? Dann hieß er wohl nicht van der Weyden wie meine Mutter. Waren sie nicht verheiratet gewesen?
    Und was wusste er über mich? Der Brief? Den könnte er bei Herrn Arndt gelesen haben, als ich ihn dort vergessen hatte!
    Das Muttermal? Jemand kann ihm davon erzählt haben, oder er kann es gesehen haben, als ich noch ein Kind war. Das beweist aber noch lange nicht, dass er mein Vater ist!
    Die Ungewissheit zerrte an mir. Ich konnte nicht liegen bleiben. So stand ich auf und sah mich bei den Feuern der anderen Nachtgäste um, die unter dem brüchigen Scheunendach versammelt waren. Ich merkte rasch, dass ich nicht überall willkommen war. Einige der finsteren Gestalten verfolgten mich mit misstrauischen Blicken oder murmelten eine Drohung, wenn ich ihnen zu nahe kam. Der größte Teil des

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