Tanz der Dämonen
dann war ich im Trubel der Stadt. Heute schien hier niemand schlafen zu wollen. Alle Läden offen. Und vor allem die Wirtshäuser!
Im Gehen streifte ich mit der Hand das Feuerrohr, das schwer und sperrig in meinem Gürtel steckte. Sollte ich mich damit weiter belasten? Andererseits: Vielleicht würde ich es tatsächlich brauchen! Dazu gehörte ein Beutel mit Schießpulver und Bleikugeln. Der andere Beutel, den mir Grifone gegeben hatte, enthielt Münzen. Der Geldbeutel eines Toten. Mein erster Gedanke war gewesen, diese Gaben von mir zu weisen. Dann hatte ich es doch nicht getan. Meinen Dolch hatte ich in den Stiefel gesteckt. Vater Sebastians Warnung vor dem Waffentragen kam mir wieder in den Sinn. Wie sehr hatte ich mich verändert! Ich hatte einen Menschen im Kampf getötet oder doch mindestens schwer verletzt.
Seltsam, dachte ich. Wer ist diese Kat? Bin ich nicht mehr dieselbe, die ich gewesen bin?
Rasch tastete ich nach jenen beiden Gegenständen, die mir schon länger vertraut waren. Der Brief! Welche Bedeutung hatte er noch für mich? Und das Amulett. Es war nun schon manchen Tag auf diesem Platz an meiner Brust und hatte die Wärme meines Körpers angenommen. Dennoch verkörperte es das Rätsel, vor dem ich stand, und enthielt die Drohung einer mysteriösen Gefahr. Und da war schließlich der zerbrochene Pfeil unter meiner Jacke.
Wirf das Ding weg!, dachte ich. Aber wieder unterließ ich es.
Der Platz vor dem Rathaus war voller Menschen, die sich vor der Fassade des mächtigen Gebäudes drängten. Bürger im Festtagsstaat, Stadtsoldaten in glänzender Rüstung, Hüte und Helme. Der Platz wurde von zahlreichen Fackeln erhellt. Ihr unruhiges Licht funkelte bedrohlich auf den Spitzen der Hellebarden. Eine Szene voller Gespanntheit. Fahnen flatterten über den Köpfen der Menge, und in den Ohren schallte ein vielfältiges Stimmengewirr. Ich fand einen Prellstein an einer Ziegelmauer, auf den ich klettern konnte. Von dort hatte ich einen guten Überblick.
Den Wachen flogen rüde Scherzworte zu, die hochmütig überhört wurden. Ein Hauptmann paradierte nervös auf und ab und blickte argwöhnisch um sich. Ich glaubte zu erraten, was ihm im Kopf herumging: Obwohl die Soldaten sich offenbar Mühe gegeben hatten, nur die Honoratioren in die Nähe des großen Portals zu lassen, strömte von allen Seiten vielerlei Volk auf den Platz, und ein Teil davon schien nicht gesonnen zu sein, besonders viel Respekt zu offenbaren.
Links ragte der dunkle Umriss des figurengeschmückten Rathausturms zum Himmel, und rechts sah ich die eher zierliche Baugestalt der Ratskapelle. An der Kapelle bimmelte ein Glöckchen, und hinter den bunten Fenstern schimmerte das Licht von Kerzen.
»Wo bleibt er denn?«, rief ein kräftiger Mann neben mir. »Denkt denn keiner an meine Frostbeulen?«
Einige Lacher waren ihm gewiss.
»Geht doch rein, und sagt ihm, dass wir da sind!«, gab ein anderer zurück. Auch er bekam Applaus. Dann horchte ich auf. Im Hintergrund sang eine dünne Stimme: »Heute dein und morgen mein …«
Auch andere hatten es gehört. Der Hauptmann reckte den Hals, und einige der Pfeffersäcke, die das rebellische Lied erkannt hatten, schnitten giftige Gesichter. Aber niemand konnte feststellen, woher die Weise gekommen war. Als ich um mich blickte, merkte ich zu meinem Erstaunen, dass Pietro neben mir stand. Er musste mich schon längst entdeckt und sich zu mir geschlichen haben.
»Hast du das gehört?«, fragte er grinsend.
»Allerdings. Und andere auch. Bist du das gewesen?«
»Wo denkst du hin! Seh ich so aus?«
»Ich glaube, ja.«
Und dann erschien König Ferdinand mit einer Phalanx stattlicher Würdenträger an der Balustrade über dem Portal. Amtsketten blitzten im Fackellicht. Es gab eine Ansprache, und der neu gekrönte König nahm die Huldigung der Stadt entgegen. Offensichtlich genoss er das Zeremoniell.
Pietro stieß mich an. »Hättest wohl auch Lust, da oben zu stehen?«, fragte er spöttisch.
»Nicht um alles in der Welt!«
»Ich schon. Ich würde befehlen, dass alle für mein Wohl zu beten hätten, und inzwischen müsste man mir ein Fass Wein und ein paar lockere Weiber bringen.«
»Übernimm dich nicht!«
»Was denn! Der König hat eben dasselbe gedacht. Woll’n wir wetten? Und jetzt überlegt er, wie er es den anderen beibringt.«
»Du bist ein Kindskopf!«
»Besser ein Kindskopf als ein Sauertopf!« Er zog mich am Arm zur Seite.
»Die Büttel«, flüsterte er und wies mit dem Kopf auf
Weitere Kostenlose Bücher