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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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nicht.«
    »Euren Brief hat Vater Sebastian mir gegeben.«
    »Wenigstens das.«
    »Ihr – habt Euch nicht geliebt?«
    »Ich habe sie mehr geliebt als mein Leben, sie und niemals eine andere. Stell dir vor: Ich liebe sie immer noch. Aber sie … sie hat mich nicht einmal wirklich gemocht. Das ist die Wahrheit.«
    »Das verstehe ich nicht!«
    Er warf den Kopf zurück, als sei ihm jetzt erst bewusst geworden, dass er mehr von sich preisgegeben hatte, als jemals seine Absicht gewesen war. »Das musst du auch nicht verstehen. Es war eben so!«
    Ich war verwirrt und hatte Sorge, er wolle sich gleich wieder hinter seine Maske zurückziehen. Deshalb stellte ich meine nächste Frage rasch und ohne zu überlegen:
    »Und was hatte sie mit dem Kaiser zu tun?«
    Seine Antwort kam schnell und heftig: »Das ist Unsinn! Gar nichts! Eine Kinderei. Sie haben sich kaum gekannt, und das war lange vorbei. Sie hat daraus etwas gemacht, das niemals …« Er schwieg abrupt. Ich war erschrocken über seine Reaktion und wagte kein weiteres Wort. Aber meine Gedanken wirbelten wie ein Strudel. Warum diese Abwehr? Was war zwischen den beiden gewesen? Und was hatte der Kaiser wirklich damit zu tun? Und vor allem war da ein Punkt, der mir keine Ruhe ließ: Gab es einenZusammenhang zwischen seiner Ausgrenzung des Kaisers und der Nennung meines Geburtsjahrs?
    Der frostige Boden knirschte unter unseren Schritten. Ich fror. Wir schwiegen beide für eine lange Zeit. Dann sagte Grifone: »Es ist keine Umgebung für dich – ich meine das Haus, wo meine Leute und ich Quartier haben. Es ist ein Unterschlupf für Soldaten, die nur kurze Zeit an einem Ort sind und unerkannt bleiben wollen. Außerdem haben wir diesen Auftrag … Ich weiß etwas Besseres für dich.«
    Welche Gedanken waren bei ihm in Gang gekommen? Machte er sich Sorgen um meine Zukunft? Hatte er sich plötzlich besonnen, dass ich kein Sohn sei, sondern eine Tochter?
    »Und? Wohin gehen wir?«, fragte ich.
    Es war sehr bezeichnend für seine Art, dass er mir eine Antwort gab, die eigentlich gar keine war: »Wir sind gleich da.«
     
     
     

ER Z UBER
    »Jetzt wirst du La Lupa kennen lernen«, sagte Grifone. Wir standen wieder einmal vor einem Haus, das mir unbekannt war. Wie lange würde es wohl dauern, bis ich auf diese Weise die ganze Stadt kannte? Das Haus erschien mir nicht besonders groß, dafür zog es aber durch zierlichen Fassadenschmuck das Auge auf sich. Es stand am Zusammenlauf zweier Gassen, und an der Hausecke prangte ein vergoldetes Schnitzbild, das Adam und Eva darstellte. Grifone betätigte den Türklopfer. Nach kurzer Zeit öffnete sich in Kopfhöhe eine Klappe, und zwei vergnügt blinzelnde Augen musterten uns.
    »Ihr seid es!«, rief eine tongewaltige Frauenstimme, und die Tür schwang auf. Wir betraten einen Flur, in dem es fremdartig, aber seltsam wohltuend duftete. Die Frau, die uns geöffnet hatte, offenbar eine Hausmagd, trug eine frisch gestärkte Haube und hatte zahlreiche Schlüssel am Schürzenbund.
    »Die Herrin erwartet Euch«, sagte sie. »Kommt nur hinein in die Stube.«
    Doch ehe wir dieser Aufforderung Folge leisten konnten, kam uns die Dame des Hauses bereits entgegen, begrüßte Grifone mit einer Umarmung und richtete dann den Blick auf mich. Sie war eine Frau, die bereits die Schwelle des reifen Alters erreicht hatte, wie man so sagt, obwohl sie schlank und beweglich wirkte und ihr Haar bis auf wenige silbrige Strähnen noch dunkel war. Was ihrem Aussehen Lebenslust, ja Jugendlichkeit verlieh, waren die Augen: schwarz und funkelnd. Im übrigen hatte ihr Körper jene nervige Spannung, die, wie ich heute weiß, auf ein leidenschaftliches Temperament schließen lässt. Ich erriet damals schon, dass sie zu jener Art Frauen gehörte, die selbst unter jüngeren Konkurrentinnenunfehlbar die Blicke der Männer auf sich ziehen – zumindest jener Männer, die sinnliche Erfahrung zu schätzen wissen.
    Grifone wies mit dem Kopf auf mich, ohne die Hände von ihrer Hüfte zu nehmen.
    »Liebe Freundin«, sagte er, »Erlaube mir, dir jemanden vorzustellen. Das ist …«
    »Deine Tochter«, sagte sie. »Ich freue mich.«
    Er sah ziemlich verdutzt drein. »Ja, das ist sie. Woher weißt du …? So, wie sie da steht, würde man sie wohl eher für manches andere halten.«
    »Ihr Männer seid dumm. Aber das ist vielleicht ganz gut so.« Sie lächelte nachsichtig, löste sich gewandt aus seinem Griff, nahm mich bei der Hand und führte mich in die Stube. Der Wohlgeruch, der

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