Tanz der Dämonen
Röcken. Eine Welle von aufregend fremdartigem Duft begleitete sie. Sie kamen mir vor wie Schauspielerinnen, die man hinter der Bühne antrifft. Sieh an! Ob es sich um Buhldirnen handelte? Hier?
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Auch La Lupas Haus war ein Bordell! Aber gar nicht zu vergleichen mit dem Haus auf dem Berlich. Diese Dirnen wirkten eher wie Herzoginnen, die ihrer höfischen Etikette für einen lockeren Abend den Rücken gekehrt hatten. Allerdings weitaus jünger und hübscher, so fand ich, als die meisten Herzoginnen, die ich mir vorstellen konnte. Sie blieben stehen, um uns vorbeizulassen. Das verhaltene Gekicher verstummte unter dem Blick von La Lupa. Und dann kam eine wirklicheÜberraschung! Eines der Mädchen trat an mich heran, zwinkerte mir zu und vollführte die Andeutung einer höfischen Reverenz.
»Seid gegrüßt, junger Herr«, flötete es übermütig. Es war Rosanna!
»Unsere Neue«, sagte La Lupa, während sie die Szene amüsiert beobachtete. Doch ihre Aufmerksamkeit war nichts im Vergleich zu der Faszination, die sich auf Grifones Zügen abzeichnete. Ein kurzer Seitenblick offenbarte mir das: Er hatte in der Bewegung innegehalten, und die Augen fielen ihm fast aus dem Gesicht. Er konnte den Blick nicht von Rosanna lassen. Und sie, die ihre Wirkung sofort erkannt hatte, schäkerte weiter mit mir, gab diese Vorstellung – das fühlte ich genau – in Wahrheit aber ausschließlich für ihn. Sie wiegte sich in den Hüften und wandte sich etwas zur Treppe, so dass der Lichtschein ihren fast entblößten Busen streifte. Dabei sorgte sie, wenn ich mich nicht sehr täuschte, gleichzeitig mit einem kleinen Schritt nach links dafür, dass ich Grifone die Sicht nicht verdeckte. Dann trafen sich die Blicke der beiden, und nun gab es keinen Zweifel mehr: Er hatte angebissen.
Und noch etwas wurde mir im selben Moment klar: Auch La Lupa war bereits im Bilde.
Rosanna tippte mir mit dem Finger auf die Nasenspitze, und dann eilten die leicht bekleideten Grazien mit schnellen Schritten die Treppe hinauf. Wie ein Spuk waren sie kurz darauf verschwunden, nur ihr Duft war noch um uns.
La Lupa zeigte auf eine Tür, ein paar Stufen hinauf und dann zur Linken.
»Für dich mache ich dort alles bereit«, sagte sie mit einem ironischen Funkeln in den Augen zu Grifone. »Ich bin sicher, du wirst zufrieden sein. Du hingegen, junger Herr «, so wandte sie sich an mich, »… wirst wohl lieber erst die Küche besuchen, wenn ich es richtig einschätze.«
Was für eine Frau! Diese Entscheidung war ganz in meinem Sinn, und was mir die Köchin anbot, gehörte zu dem Besten, was ich je in meinem Leben gegessen habe. Es ist mir ein Rätsel, wie esmöglich war, dass ich damals so mager bleiben konnte, obwohl ich dem Essen zusprach wie ein Fuhrknecht und auch den guten Wein nicht verschmähte.
Nach einiger Zeit kam La Lupa zu mir in die Küche, erkundigte sich, ob ich zufrieden sei, und ließ ein Tablett für Grifone herrichten.
»Das werde ich hinaufbringen«, sagte ich aus einem plötzlichen Impuls heraus und nahm das Tablett mit beiden Händen. Es war schwer beladen mit duftenden Speisen in Schüsseln und Schalen, mit frisch gebackenem Brot und mit zwei Kannen voll Wein. Zwei?
»Dann gib Acht, dass du keinen falschen Schritt tust«, sagte La Lupa und lächelte auf eine anzügliche Weise. Was wollte sie mir nur damit bedeuten? Gleichviel! Ich gab mir Mühe und brachte es fertig, auf der winkligen Treppe nicht zu stolpern. Oben angelangt, drückte ich die Klinke mit dem Ellenbogen nieder, wobei ich den Rücken zur Tür wandte, um sie zu öffnen. Dazu musste ich mich mit dem ganzen Körper dagegen lehnen. Ächzend gab sie nach. Ich kam in einen Raum, der von warmem Wasserdunst erfüllt und schwach durch Kerzenlicht beleuchtet war. Vorhänge hielten die Kälte der Fensternischen ab, und durch ein holzgeschnitztes Gitter hörte man Musik und gedämpftes Stimmengewirr, das aus dem Saal heraufdrang. Es waren jetzt also Gäste da, und die Musikanten spielten nicht auf der Empore, sondern unten. Grifone war der einzige Gast hier oben. Er saß in einer geräumigen hölzernen Wanne. Seine Kleider waren nahebei über einen Stuhl gehängt, und der Degen lag griffbereit daneben. Er hatte diesen Zuber offenbar so aufstellen lassen, dass er die Tür stets im Blick hatte. Natürlich hatte er mich bereits erkannt, denn er wandte sich ab und konzentrierte sich sorglos auf das Zurechtstutzen des Kerzendochts an einem
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