Tanz der Dämonen
Verfolgungsjagd ihren Anfang genommen hatte. Es jagte mir jetzt noch einen Schauer über den Rücken, wenn ich daran dachte.
»Und der Skorpion ist das Zeichen? Seid ihr Banditen? Oder Verschwörer? Ist es eine geheime Sekte?«
»Sei nicht dumm! Weißt du wirklich nicht, was das Zeichen bedeutet? Dann sei froh! Wir wollen es dabei belassen, und du solltest keinen weiteren Gedanken daran verschwenden! Verstehst du? Ich warne dich ernsthaft! Es ist eine gefährliche Sache. Aber in ein paar Tagen ist das alles vorbei. Und dann wird niemand mehr danach fragen! Je weniger du davon weißt, desto besser ist es für dich.«
Ich begriff, dass ich jetzt nicht mehr darüber hören würde.
Man wird sehen, dachte ich.
Wir durchschritten eine enge Gasse, die an einer Klostermauer entlanglief. Dann kamen wir an einem Hof vorüber, wo ein Metzger mit seinen Gehilfen tätig war. Ein geschlachteter Ochse hing kopfüber an einem hölzernen Gestell mit großen Haken. Der Leib des Tieres klaffte auf, und die dampfenden Innereien wurden herausgelöst. Kinder und Hunde umlagerten die Szene, gebannt von diesem Anblick und vom Blutgeruch. Wenn sie zu nahe herankamen, jagte der Metzger sie mit einem Fußtritt zurück. Ganz ähnlich wie diese Gören hatte ich selbst Mund und Nase aufgesperrt, wenn es so etwas zu erleben gab, damals in unserem Dorf. Wie weit lag das hinter mir!
Grifone schaute kaum zu der Schlachtszene hinüber. Ihm ging anderes durch den Kopf.
»Hör zu«, sagte er und legte die Hand auf meine Schulter. »Was wir miteinander bereden, ist unsere Sache, und es geht niemanden sonst etwas an. Es gibt Dinge, die gefährlicher sind, als sie zu sein scheinen. Überall sind neugierige Ohren. Ein harmloses Geschwätz kann das Leben kosten. Zu keinem ein Wort, ist das klar?«
Mit seiner Verschlossenheit würde ich wohl leben müssen, aber es fiel mir schwer. Bei Grifone schienen Geheimnisse ein Selbstzweck zu sein. Darin war er noch schlimmer als Ahasver.
Wir erreichten jetzt den Platz, der Alter Markt genannt wird. Über den Giebelspitzen stand schattenhaft der Turm von Groß St. Martin. Hier kannte ich mich aus. Meine Gedanken jedoch waren sehr weit weg. Mir ging ein Satz durch den Kopf, der von Vater Sebastian stammte: »Ein Geheimnis kann genau so tödlich sein wieeine Flasche Gift.« Ich versuchte, nicht weiter an den alten Priester zu denken. Dennoch hatte ich unversehens Wasser in den Augen. Von ihm stammte der Rat, den ich so wenig befolgte: zu beten, wenn ich in Not und Zweifel sei. Ich würde es wieder versuchen.
Die Gassen, durch die wir inzwischen gingen, waren mir fremd.
»Gib Acht«, sagte Grifone. »Wir sind gleich da. Hier geht es um etwas, das nichts mit dem zu tun hat, worüber du grübelst. Tu einfach wie dumm. Hier ist es ganz in Ordnung, wenn man dich für einen Toren hält.«
»Besuchen wir jetzt Euren Freund?«
»Wie man’s nimmt. Äh … Du wirst ihm möglicherweise gefallen.«
Was sollte das nun wieder bedeuten? »Heißt das, er mag Jungen?«
»Das heißt, dass du den Mund hältst und im Hintergrund bleibst.«
»Also werde ich ihm wohl besser nicht den Hintern zukehren«, sagte ich und freute mich an Grifones entgeistertem Gesichtsausdruck.
Er schüttelte den Kopf und klopfte an die Tür.
Es war ein stattliches Haus am Blaubach, eines, wie es Leute bewohnen, die ihre Umwelt schröpfen, in der Kirche laut singen und einen Sitz im Rat der Stadt haben. Nun, ich kannte mich inzwischen auch mit solchen Häusern ganz gut aus.
Ein Mann mit einer Schürze und einem Schlüsselbund öffnete uns.
Grifone sagte etwas, das ich nicht verstand.
»O ja, zum spanischen Leutnant!«, war die reservierte Antwort. »Der Herr wird erwartet.«
Ein misstrauischer Blick auf mich. Dann ließ er uns ein.
Stimmen im Treppenhaus. Hohe Fenster. Eine dämmrige Halle. Die Steinfliesen wurden von einer alten Magd gescheuert, die halblaut Verwünschungen vor sich hin murmelte, weil wir sie bei der Arbeit störten.
Dann wurden wir in eine reich ausgestattete Kammer geführt, in der ein seltsamer Geruch herrschte. Eine Art Rauch, beißendund irgendwie süßlich. Unangenehm in der Nase. Ein schwarzhaariger Mann in goldbesticktem Wams erhob sich und begrüßte uns.
»Das ist Leutnant Navarro«, sagte Grifone. Halb und halb hatte ich erwartet, den Grafen mit der herrischen Stimme vor mir zu sehen. Es hätte zum Rätselspiel gepasst. Aber dies war ein ganz fremder Mann. Ein seltsamer Mann! Ich konnte kaum glauben, was ich
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