Tanz der Dämonen
bis unter das Haar, aber Gott sei Dank schien das weder der Kaiser noch irgendwer sonst zu bemerken.
Das einschüchternde Zeremoniell einer solchen Veranstaltung hat seine eigenen, verzwickten Gesetze. Ich war froh, dass ich gleichsam neben dem Geschehen stehen durfte, so dass meineAhnungslosigkeit nicht auffiel. Hätte ich nun ein Wort sagen müssen, ich wäre nicht dazu imstande gewesen.
Während der Kaiser die formelle Vorstellung der Gäste gelassen entgegennahm, hier und da eine höfliche Floskel anwandte, ein persönliches Wort fand oder eine wohlwollende Frage stellte, ließ ich meine Augen möglichst unauffällig durch den Raum wandern. Zuerst nahm ich die Erregung der versammelten Menschen wahr.
Es waren weniger Gäste, als ich erwartet hatte. Aber mir fiel ein, dass es sich wohl nur um ein improvisiertes Bankett handelte, das für ein informelles Treffen des Kaisers mit bestimmten politischen Würdenträgern einen Rahmen bieten sollte. Dennoch erschien mir dieser Rahmen verwirrend glanzvoll.
Die Kerzen und die Wärme des Saales schufen eine luxuriöse Atmosphäre. Alles war in Bewegung, und die Musik unterstrich die höfische Geziertheit des Zeremoniells. Ich vergaß meine Grübeleien und wagte freier um mich zu blicken. Die Gewänder und der Schmuck beeindruckten mich. Da strahlten Samt und Seide, funkelten Zierden aus Gold und Silber, glänzten Spitzenpracht und Perlenstickerei.
Verstohlen und in der naiven Hoffnung, dass es niemand von den Anwesenden bemerken werde, suchte mein Blick immer wieder die hohe Gestalt des Kaisers. Er alleine war mir ein Halt für meine Unsicherheit in einem Geschehen, das mir fremd und beängstigend erschien.
Der Kaiser begegnete dem Ganzen, wie nicht anders zu erwarten war, mit Souveränität. Sein Gewand war nicht mehr dasselbe, das ich in seinem Arbeitszimmer an ihm gesehen hatte. Er ging nun aufwändiger gekleidet, wenn auch, wie ich mit Erstaunen feststellte, keineswegs so prächtig wie manche der Gäste. Sein Staatsgewand war in den Schultern ausladend gestaltet, so dass es ihm den imponierenden Körperumriss eines Athleten verlieh; das stand in überraschendem Kontrast zum engen Schnitt seiner Beinkleider, welcher die schlanken Hüften betonte. Diese Wirkung wurde unterstrichen durch Pelzverbrämungen in Zobel oder ähnlichkostbarem Material an den Aufschlägen des Futters rechts und links der Brust sowie durch gebauschte Ärmel, die sich wie Pluderkissen blähten. Die Schöße seines schenkellangen Überrocks legten sich nach hinten und gaben den Blick auf einen schmalen Gürtel mit einem goldenen Zierdegen frei. Auch trat das Vorderstück seiner Hose auf jene Weise in Erscheinung, wie es der Mode entsprach und wie ich es in diesen Tagen schon bei so zahlreichen anderen Männern gesehen hatte – wenn auch dieser Effekt bei dem herrscherlichen Gewand längst nicht so herausfordernd wirkte wie bei manch einem Landsknecht oder Offizier. Der Stoff des Überrocks war ein glänzender Goldbrokat. Bei jeder Bewegung lief ein flammender Lichtschimmer über seine Oberfläche. Das spanische Koller darunter bestand aus weichem Leder und zeigte vergoldete Ornamente. Es umschloss die Brust so knapp und straff, dass ich unwillkürlich an den Körper einer Wespe denken musste. Die rechte Hand des Monarchen lag mit Vorliebe auf dem Griff seines juwelenbesetzten Dolchs, und bisweilen spielten die schlanken, beinahe knochigen Finger mit dem Schweif einer weißen Seidenquaste, die am Knauf befestigt war. Das war, soweit ich erkennen konnte, das einzige Zeichen jener inneren Unruhe, welche dieser Mann so gut hinter dem Anschein statuenhafter Unnahbarkeit zu verbergen wusste. Ich erinnerte mich an eine ähnliche Beobachtung, die ich schon beim ersten Sehen gemacht hatte, bei jenem kurzen Blick auf den Kaiser, den ich seinerzeit im Hohen Chor des Kölner Doms erhascht hatte. Damals hätte ich wahrhaft nicht gedacht, dass ich Seine Heilige Majestät so bald und so vertraut aus nächster Nähe vor Augen haben würde!
Gerade als ich mit meinen Gedanken an diesem Punkt angelangt war, wandte sich der Kaiser ein wenig zu mir und sandte mir ein kaum wahrnehmbares Lächeln, so als sei er sich die ganze Zeit bewusst, dass ich ihn nicht aus dem Blick ließ, ja als wolle er mir unauffällig zu verstehen geben, ich solle ihn und mich nicht durch übertriebene Aufmerksamkeit anzüglichen Spekulationen aussetzen. Hielt mich womöglich jemand der gaffenden Versammeltenfür seine Geliebte? Der
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