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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Gedanke weckte zwiespältige Empfindungen, und ich schob ihn entschieden beiseite. Ob es wirklich so war, dass auch er nicht über der Missgunst seiner Umgebung stand? Dass er jeden seiner Schritte kritisch abwog und genau kontrollierte – ganz wie jeder beliebige Sterbliche – oder vielleicht sogar noch viel mehr?
    Ich schluckte und wandte mich den Gästen zu.
    Einige von ihnen waren vielleicht adlige Herrschaften aus der Umgebung, die wohl nur selten den Glanz einer solchen Veranstaltung genossen. Entsprechend beeindruckt kamen sie mir vor. Der Inhaber dieses Herrensitzes, der für einen Abend sein Gastgeberrecht und dessen Pflichten an den Kaiser abgetreten hatte, stand neben dem Monarchen. Er wurde mir vorgestellt. Seinen Namen habe ich vergessen.
    Diese Anwesenden schienen keine besonders hervorgehobene Rolle zu spielen, obwohl sie sich sehr wichtig nahmen. Wartete man möglicherweise noch auf einen besonderen Gast?
    Bei diesem Gedanken kam eine Wahrnehmung über mich, die alles andere überlagerte, so wie man mit einer ranghohen Spielkarte auftrumpft und die übrigen Blätter einfach zudeckt.
    Da war ein Bild vor meinen Augen an der Wand, ein großes Gemälde, finster nachgedunkelt, aber noch gut genug zu erkennen. Es zeigte eine weibliche Gestalt in voller Größe und beinahe nackt: Fortuna, so schien es mir. Doch genauer betrachtet, mochte es auch Pandora sein, denn sie trug eine seltsam geformte Büchse oder Schatulle. Etwas bannte meine Augen, so dass ich sie nicht von diesem Bild lassen konnte, und während ich es anstarrte, war mir, als werde die Gestalt lebendig. Die Leinwand hob sich und bildete eine Erhöhung aus, so als werde etwas von hinten dagegen gedrückt, dann funkelte plötzlich auf der Stirn der Frau ein winziger, gleißend heller Punkt im Kerzenlicht des Saales. Das konnte nichts anderes sein als die Spitze einer stählernen Klinge! Ein Dolch oder ein Degen wurde sacht durch das Bild gestoßen und glitt tiefer. Lautlos zuerst und dann mit einem leise zischendenGeräusch teilte sich die Fläche, der Schnitt wurde länger und öffnete gleichsam eine klaffende Wunde. Geisterhaft erschienen die Finger einer Hand, tauchten aus der Leinwand auf, dann glitt ein schlanker Fuß hervor, und schlangenartig folgten die geschmeidigen Arme und Schultern einer jungen Frau, die ganz der Figur des Gemäldes glich. Schimmerndes Licht traf ihren Busen, als sie mit den weichen Bewegungen einer Katze die Hüften hervorschob. In ihrer Hand blitzte das Messer, mit dem sie das Bild zerteilt hatte. Ein blonder Haarschopf leuchtete auf. Dann wandte sie das Antlitz herüber: Sie hatte meine Züge!
    Erschauernd wurde ich mir der Täuschung bewusst. Meine Phantasie – sie hatte mir einen neuen Streich gespielt. Das Gemälde sah aus wie zuvor! Träumte ich jetzt schon mit offenen Augen? Zum ersten Mal, soweit ich mich erinnern konnte, war ein Gesicht über mich gekommen, während ich wachte und meine Sinne durch nichts getrübt waren! Als die Vision verschwand, war es, als kehre ich aus weiter Ferne zurück. Um mich her brodelten wieder das Stimmengemurmel und die Unruhe der festlich gestimmten Gäste. Und noch etwas: Die Augen des Kaisers waren mit einem Ausdruck von Ungeduld auf mich gerichtet. Er musste mich etwas gefragt haben, das ich überhört hatte, und wartete noch auf meine Antwort!
    »Verzeiht«, stammelte ich, »dieses Mädchen … äh … das war ich!« Im selben Moment war mir klar, dass ich mich damit vollends dem Unverständnis aussetzte, aber vielleicht überbrückte gerade das die Situation – oder es war eben dieses Herumstottern, das mir aus der Verlegenheit half, weil niemand es verstanden hatte.
    »Ein Glas Wein«, sagte der Kaiser in einem Ton gelinden Missfallens, der jede Gegenrede ausschloss, so dass er gleich zu anderen Dingen übergehen konnte, ohne einen weiteren Gedanken an meine fehlende Weltgewandtheit und meine mangelhaften Manieren zu verschwenden. Dennoch lag in seiner nächsten Handlung ein Element dezenten Tadels. Er wandte sich nämlich dem Majordomus zu und trug ihm auf, einen bestimmten Herrn zu meiner Begleitung herbeizuzitieren. Dann, mit einem erneuten Blick auf mich,fügte er hinzu: »Nein, bittet lieber doch – den Baron Friedland.« Der Beauftragte verneigte sich und eilte davon. Darauf schien der Kaiser mich vergessen zu haben.
    Nach kurzer Zeit trat ein junger Mann in eleganter Hofkleidung auf mich zu und begrüßte mich mit einer förmlichen Verneigung: »Baron

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